Die Geschichte von Onno Onneken

     

Es ist die Geschichte eines Retters, obwohl Retten nicht sein Beruf ist wie bei THW, Feuerwehr, Polizei, Ambulanz.
Enno Onneken ist Fahrer eines 7,5t Lastwagens und wartete in unauffälligem Hintergrund vor dem auffälligen Vordergrund der Menschenschlange, die mit der Fähre „Spiekeroog II“ um 14:45 Uhr zum Ort ihres Namens übersetzen würde. In 15 Minuten. Die in der Menschenschlange ruhig standen, waren Einheimische, die zurück wollten. Die zappelnden, rufenden kinder- , eltern -, und großelternreichen Gruppen waren die Urlauber.
Ich war die reife Mitte und wartete gerne so kinderlos und stressfrei in der Sonne, deretwegen ich Sonnenbrille trug. Christine musste jeden Moment zurück sein vom Parkplatz des Autos.  Zwei km weiter auf einem Privatgelände im Hinterland. Noch 13 Minuten bis zum Ablegen.

Die Fähre fuhr zwar ruhig ein, spuckte dann aber ruhelos Menschen und  Gepäckcontainer aus, die noch eiliger entladen wurden, um mit unser aller Gepäck neu beladen zu werden. Ich sollte mir die Gepäckcontainer-Nummer merken, setzte gehorsam die Sonnenbrille ab, um die Lesebrille aufzusetzen  - und mit dem Absetzen der Sonnenbrille waren die kommenden Tage im Eimer. Ich brauchte gar nicht erst rüberzufahren. Meine einzige brauchbare Arbeitsbrille lag vorne links oben auf dem Armaturenbrett von Christine.
 

Ich meine ihrem Auto. Noch 11 Minuten zum Auslaufen. Christine zurückjagen zum Auto und wieder her? Aussichtslos.

Im Chaos zeigen sich Strukturen: Christine war zurück und ich zog sie zu einem Taxi. Ohne diese Brille keine Tage mit den Kindern auf Spiekeroog. Das Taxi war besetzt. Weiter dahinter der 7,5 Tonner. Ich raste, so gut der Mensch am Stock rasen kann, auf den LKW und seinen Fahrer zu, der auf Postsendungen von der Insel wartete und seine Kabine öffnete bevor ich daran meine Hilfesuche donnern konnte. Sein langsames „Moin, moin“ wirkte therapeutisch. Onno.
„Ich brauche Hilfe, echte Hilfe – kann ich Sie privat engagieren? Meine Frau dahinten - meine Brille in ihrem Auto…“ Ich bot Geld. Onno lehnte ab und startete den Motor. „Nee – mach'n wa aba.“ Christine verstand nur wenig, aber hat Urvertrauen und fuhr mit dem fremden Mann in 7,5 tonnig zurück zu meiner Brille. Wir liefen pünktlich aus, vorbei an seligen Seehunden, die nur von ferne Ahnung der Welt von uns Mobilgetriebenen haben.

Solange es Menschen wie Onno Onneken gibt – er, seine Ruhe, sein Name sind altfriesisch geprägt – glaube ich weiter an das Gute im Menschen. Schwer heutzutage, weil destruktive Aggressivität beliebter ist. Aber Onnos gibt’s auch hier. Im Dorf, in der Stadt, oft gleich nebenan.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
26. September 2017