Acht Punkte

     

Der Untererzengel Gabriel der Kleine hatte es mit Alexander, meinem nächsten Nachbarn, eigentlich besonders gut gemeint. Gabrielchen, der persönliche Bezugsengel von Alexander, wusste nämlich, dass Alexander bei vielen nächtlichen Auto-Fahrten als Lieblingstätigkeit nicht Auto fuhr, sondern zu gerne nachdachte, ganz wichtige, manchmal gar tolle Gedanken dachte. Die Eingebung solcher toller Gedanken war Aufgabe von Gabriel dem Kleinen. generell für das Nebenressort „Eingebungen“ zuständig. Diesmal, auf der BAB im nächtlichen Werratal auf dem Weg zurück von Süddeutschland in die Ostheide meinte Alexander`s Bezugsengel es besonders gut und ließ Alexander an seinem Steuer nachdenken über ein bisher nicht gelöstes Problem, eines zwischen Gott und der Welt. Eines, das nach Meinung von Alexander selbst, bisher noch nie jemand an - geschweige durchdacht hatte, am wenigsten dessen Lösung. Als Alexander dies am Steuer begriff, wie kostbar dieser Gedanke mit seiner Lösung war, wollte er – wie immer – die Kostbarkeit auf seinem Diktaphon festhalten (telephonieren ist verboten, diktieren nicht). Und, eben, genau, wir ahnen es: Da wurde Alexander mitsamt seinem Wagen in ein gleißendes rotweißes Licht eingetaucht. Keines von Gabriel dem Kleinen oder gar ein göttliches Licht. Es war dieser verfluchte Starenkasten direkt hinter der Werratalbrücke, der Alexander aus seinen göttlichen Gedanken herausriß und in die erniedrigende irdische Erkenntnis stürzte: Schon wieder erwischt.
Bereits vier Mal hatte er schon diesen immer selben Scheißfotografierkasten vom Landkreis Göttingen verflucht, der in beiden Richtungen im Werratal steht. Und immer wegen popeliger 2o-25 km zu schnell (außerhalb einer Ortschaft).

 

Der Erzengel Gabriel hörte Alexander unten auf der Erde ungebührlich fluchen, unsägliche Wörter in den Mund nehmen und zitierte seinen Untererzengel, Gabriel den Kleinen, sofort zu sich.
„Was ist los, Kleiner? Warum tobt dieser Heidjer da unten so – ist doch sonst ganz umgänglich und komunikativ uns gegenüber?“ Gabriel berichtete kleinlaut, dass er die einsame Nacht Alexanders hätte versüßen wollen. Außerdem ein weiteres Problem der Menschheitsgeschichte durch Alexander andenken lassen wollte, von wegen vielleicht einer Lösung, und da habe er, Gabriel, auch diesen Scheißkasten im Werratal vergessen.
Gabriel des Kleinen Chef, der Erzengel, war entrüstet. „Man nimmt dies Wort Sch….niemals in den Mund“ wies er Gabriel den Kleinen zurecht. Dann sagte er – wie immer himmlisch schnell befriedet: „Bring das in Ordnung, sonst flippt der da unten noch aus vor Angst um seinen Lappen.“
Gabriel der Kleine konnte nicht verhindern, dass der Landrat des Kreises, in dem Alexander wohnte, eine ernsthafte Verwarnung schickte. D.h. aus Flensburg vermitteln musste. Aber Gabriel der Kleine vermittelte Alexander auch eine große Beruhigung und ließ eine Frau Klaschke und dann noch ihren Chef Lakotta von der Straßenverkehrsabteilung darüber informieren, Alexander könne Nachhilfestunden bei der Fahrschule Hess nehmen. Und damit 4 Punkte in Flensburg abgezogen bekommen.
„Sie sind ein Engel!“ sagte Alexander, erst zur Klaschke, dann zum Lakotte, schließlich zum Hess. Und ist jetzt nur noch neugierig, wer da noch so diesen Nachhilfekurs besucht…




Den Autor erreichen Sie unter:

Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
26. August 2008