Von Göttern und von Politik

     

Ein Fußballstar ist ein Gott, kein Star. „Star“ hieße nur „Stern“ und wäre zahllosen nur kurzblinkenden „Sternchen“ viel zu nahe. Nein – ein Fußballspieler von Rang, von nationalem, von internationalem, von Welt-Rang erlebt die Erhebung zur Gottnähe, zur Gotterhebung.  Durch uns. Einige Gründe dafür:
Wir weltsiegten zwei Mal nacheinander  und das nimmt uns keiner, solange bis ein neuer Weltmeister feststeht. Gleich, wie oft wir siegen – oder verlieren:  Wenn unsere Fußballgötter da loslaufen auf russischem Boden, dann laufen wir mit, weil wir ein Teil von ihnen sind. Psychologisch ist das ein alter Hut: Wenn wir als Kinder schmerzhaft erkannten, dass wir nicht vollkommen sind und nicht mehr die  Wichtigsten der Welt, die wir als Säuglinge und Kleinstkinder eben noch waren – dann wollen wir Teil von denen sein, die wirklich die Wichtigsten und die Größten sind. Kinder halten sich deshalb zunächst an ihre Eltern („schönste, klügste Mutter“, „stärkster, alleskönnender Vater“), später – als Erwachsene – halten wir uns an die, die wir für vollkommen halten und verwechseln uns manchmal mit ihnen („Wir sind Papst!“). 

Als Fußballfans haben wir die Chance, uns immer wieder neue Götter wählen zu dürfen. Gotterhebung nach Leistung. Nicht durch Geburt. Nicht durch demokratische Wahlen.
 

Sport ist die einzige Rivalität, die offiziell Fairness fordert. So denken nur noch wenige Konzernspitzen, so denken die wenigsten unter den Politikern ganz großer und gewisser kleinerer Nationen. So denken immer weniger, die sich im digitalen Netz tummeln, um ihrer Lust an der Un-Fairness ungehindert frönen zu können. Von wegen „Schutzgesetze gegen den Respektverfall“.
Sport ist anders, Fußball besonders: Da ist der Respekt vor dem Sieger und erst recht der Respekt vor dem Verlierer festes Ritual. Wo haben wir das sonst noch, dass Respekt nicht nur vorgeschrieben ist wie für uns alle, sondern auch eingehalten wird? Das Wort stammt aus dem Lateinischen (re-spectare, re-spictio) und meint „Zurückschauen“. Nur auf was? Jetzt bei der WM können wir es lernen: Der Sieger schaut zurück und würdigt, was der Gegner leistete. Und der Verlierer würdigt des Siegers Leistung.
Und auch nur im Sport erleben wir, dass Akteure sich begrenzen müssen und können: mit dem Spielfeld. Man vergleiche das Spiel mit der Macht mancher zeitgenössischer Politiker: Landgewinnung, Ausweitung des Spielfeldes macht nach wie vor manchen Lust – und dem Rest der Welt Last.

Nicht das mächtige Spiel auf dem Fußballfeld. Wenn es nicht ganz genau  ausgemessen und begrenzt wäre – kein Spieler wüsste, in welche Richtung er spielen soll. Das ist der Unterschied zur Politik, die Landgewinnung anstrebt.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
26. Juni 2018