Alfons und die Multireligiösität

     

Manche Geschichten sind derart gut, dass es mir nichts ausmacht, wenn sie nicht stimmen sollten, nie passiert sind, aber gute „Wahrheiten“ transportieren. So auch die Geschichte des in Hamburg lebenden Franzosen Alfons, der derzeit in einem Hamburger Theater als Conferencier arbeitet, als Moderator. Nein, als toller Erzähler. Ich erzähle – in etwa – nach, hoffend, dass nicht zu viele aus UE auch da waren.
„Kennen Sie Madame Perraut? Nein, nicht? Kann das wahr sein? Sie müssen sie kennen! Sie sollten Madame Perot kennen – sie ist eine geniale Pädagogin! Sie war damals unsere Lehrerin in der vierten Klasse und wir liebten sie. Im Gegensatz zum Schulzahnarzt, der uns das Leben vermieste, weil er bei der Gemeinde durchsetzte, dass der Automat für Süßigkeiten an der Aussenwand der Schule so gerade so hoch gehängt wurde, dass auch die Längsten von uns nicht mehr rankamen.
Wir waren multireligiös in unserer Klasse im Süden Frankreichs: Etliche Katholiken, einige Protestanten, einige Moslems, ein Jude und ein ganz Normaler. Das war ich, Alfons.“
„Ihr seid aus verschiedenen Religionen mit soviel Kräften und Fähigkeiten, dass Ihr alle Probleme lösen könntet. Überlegt, wie Ihr dies Problem löst“, sagte Madame Perot und wir überlegten.

 

Dann hatten wir die Lösung: Die Katholiken brachten von zuhause die jeweils größten Bibeln mit, die Protestanten auch. Die Moslems schleppten den Koran an und der jüdische Mitschüler die Thora. Ich, Alfons,  steuerte meine gesammelten Comics bei. Wir stapelten alles auf einen Haufen, der kein bisschen schwankte.  Und siehe, jetzt kamen nicht nur die Längsten wieder an den Süßigkeiten-Automaten ran!
Nein, dass Sie Madame Perraut nicht kannten! Aber jetzt kennen Sie sie und ihre Pädagogik!“
Soweit Alfons, der natürlich wegließ, dass man eine einfache Leiter hätte nehmen können…
So bleibt mal wieder nur die Moral von Alfons` Geschichte: Nein, nicht einfach nur, dass Menschen mit einem Ziel wie dem Süßigkeiten-Automat in einer Gruppe zusammen stärker sind wie hier, wo das gesammelte religiöse Wissen als Basis gestapelt wurde, um höhere Ziele wie den Automaten zu erreichen.

Nein, Madame Perraut und Alfons bevorzugen grundsätzlich die Vielfalt vor der Einfalt. In dieser Vielfalt stecken ganz andere  Lösungsmöglichkeiten mit weit höheren Zielen als den 30 oder 40 Zentimeter Höhenunterschied.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
25. Oktober 2016