Damit ist schon immer Schlimmes getrieben worden. Mit Geld
im Gottesdienst. Siehe die endlose Abzockerei im alten Ablasshandel
nach dem Motto "Geld geb ich für die vergangene Sünde,
Geld geb ich für die nächste
" Jedoch meine
neue Erfahrung im Gottesdienst mit Geld: Man kriegt es bei keiner
Bank so günstig. Nämlich kostenlos.
Ich saß aus gegebenem Anlass in der heimischen St.Georgskirche
und aus demselben gegebenen Anlass saß ich zum ersten
Mal ohne Christine hinten. Weil sie aus demselben Anlass vorne
war. Und da passierte es: Der Klingelbeutel näherte sich
und mich flog eine Ahnung an, die sich in Gewissheit wandelte
je näher der Klingelbeutel durch die Reihen vor mir ging:
Ich hatte keinen Cent bei mir, war mittellos, nackt und bloß.
Im Gottesdienst macht Christine immer die Finanzen. Nur außerhalb
ich.
Der Klingelbeutel zusammen mit der zugehörigen frisch wiedergewählten
Kirchenvorsteherin näherte sich mit der Unvermeidlichkeit,
mit der sich unangenehme Geldangelegenheiten dem Menschen ebenso
zuverlässig nähern wie die Sünde. Kredite, Schulden
fielen mir ein, die kleinen, die ich jetzt gleich wieder machen
musste, die großen sowieso.
Der Hanstedter Klingelbeutel klingelt mangels eigener Klingel
oder Schelle unangenehmerweise nur, wenn Münze auf Münze
schlägt. Noch schlimmer klingelte der Beutel jetzt in meinem
Ohr, wenn er nicht klingelte. Weil jemand einen Schein reintat.
Unangenehme Gefühle werden rasend schnell zu vorweggenommenen
Schuldgefühlen, zu Versagensängsten.
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Ich saß neben dem Bürgermeister, der äußerlich
wie innerlich ein besonders Vertrauen erweckender Mann war und
ist. Zudem trägt er einen nahezu biblischen Namen. Ich
flüsterte, ob er mir wohl Geld leihen könnte. Dabei
zeigte ich mehrfach schulterzuckend auf Christine da vorne.
Solche Gesten wie mein Zeigen auf jemand anderen entlasten übrigens
negative Gefühle durch ihren Umlenkungscharakter: Der andere
ist schuld.
Der Bürgermeister flüsterte zurück "Wieviel?"
und ich sagte "Zwei
zwei Euro". Ehrlich: Ich
gebe sonst viel mehr, aber es war schließlich ein Kredit,
schlichte Anpumperei. Zu spät fiel mir ein, dass der Sohn
meines Bürgermeisters Bankdirektor in Uelzen ist. Und ich
war Kunde seiner Bank. Ich hatte also über den Vater abermals
Kredit dort aufgenommen, wo ich seit langem eigentlich nur brav
zurückzahlte. Ein erster Unterbruch, der bemerkt würde?
Ich ließ meinen Zwei-Euro-Kredit beim Bürgermeister
im Klingelbeutel demonstrativ klingeln und ersehnte das Ende
des Gottesdienstes. Dann hetzte ich zu Christine, weil der Bürgermeister
Anstalten zum Gehen machte und bekam die zwei Euro vom Bürgermeister,
nein, für den Bürgermeister von ihr. Genau genommen
hat die Kirche selbst meinen Kredit gezahlt, denn Christine
ist dort im Chorraum als Amtsträgerin gewesen. So wechselte
das Geld nur zwischen Staat und Kirche. Wie meistens heute.
Und ich zahlte nichts. Ich trainierte nur mein Über-Ich.
Aber wie sich die Zeiten änderten: Früher zahlten
die Leute Geld für ihre Sünden. Ich kriege welches
dafür. Zinslos. Eine neue Ablasswirtschaft könnte
daraus werden: Die Kirche schenkt Geld als Trost für dies
Leben. Sie wären wieder voll, die Kirchen, voller als je
beim Ablasshandel.
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