Neues auf dem Gabentisch

     

Die Kinder wünschen sich einen Hund, einen „Springer Spaniel“. Wobei: Unsere Kinder haben auch schon Kinder, die sich den Hund mitwünschen. Der Kern dieses Geschenks, der Kern des Pudels also, nein des Spaniels, ist vielmehr ein „Wesens-Test“. So richtig mit (Tier-) Psychologie, Gutachten und relativer Garantie für das Wesen des Welpen: Familienfreundlich, sanft, kontinuierliches Gemüt (obwohl ein Rüde!) soll er sein. Außerdem sei er spezialisierbar als Jagdhund für alles, was mit Wassertieren zu tun hat. Nein, Fische nicht, aber Enten für künftige Weihnachts – und Silvesterfestessen. Erweiterbar auf Niederwild, also Fasanen, Hasen.
Das klingt logisch, nein, psychologisch: Der wesen-geteste Hund als Weihnachtsgeschenk heute ist natürlich wertvoller als nur ein Hund. Nur warum diese Wesens-Garantie gegenüber dem Welpen? Vertraut der Gesetzgeber nicht mehr der Erziehung des Hundes durch seine Halter?

Vom Wesenstest für den Welpen zu neuesten Tests am Menschen. In der heute endenden Adventszeit kam die Nachricht, dass demnächst die digitale Gesichtserkennung soweit sei, aus einem gescannten Gesicht des Menschen Wesenszüge erkennen zu können – schneller als der Hundetest. Nicht nur die ARD mit ihrem „Wissen vor acht“ zeigte das an Beispielen, die in die nahende Zukunft zeigen: Krankheiten werden im neuen Scanverfahren aus unseren Gesichtern deutlich. Gefährdende Aggressionen (Terror in Familie oder in fremden Gruppen) wären analysierbar.
 

Sind wir heterosexuell oder multi, richtig oder falsch ernährt, fromm oder gottlos – nein, wirklich: All das, was unser Wesen mitbestimmt, könnte eines unfernen Tages an uns mikrosekundenschnell  diagnostiziert werden. Und uns in Schubladen schieben, die jeder Befugte aufziehen darf.
Aber es gibt nicht nur zu allem Positiven das Negative, sondern auch umgekehrt das Positive des Negativen: Vielleicht werden unsere Enkel ihre Lebens-Partner suchen bei „Parship“ im Internet oder anderen Anbietern von Partnervermittlungen „inclusive Gesichtern und Körpern, also auch Gesichtserkennungs-Analyse“. Wir können den Gutschein für die Kosten einer Gesichtserkennungs-Analyse unseren Enkelkindern auf den künftigen Gabentisch legen – so wie heute den Gutschein für den Wesenstest des Hündchens.
Mehr als Christine und ich damals können unsere Enkel dann sicher sein, dass der oder die Neue die Wunschkriterien erfüllt: Familienfreundlich und selbstständig, sanft und durchsetzungsfähig, streiterfahren und versöhnungskompetent soll er sein. Der oder die große Liebe. Oder die zweite, dritte.
Zum heutigen Heiligabend fühle ich Dank, dass es sich dieses Jahr auf dem Gabentisch nur um das Tierchen handelt. Enno soll er heißen. Wenn er den Wesens-Test besteht.

Weniger komplizierte Gaben für ein geschenkunabhängiges Christfest sowie gelingenden Übergang von 2018 zu 2019 wünsche ich Ihnen, die Sie bis hierhin gelesen haben: Ihr Kolumnist.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
24. Dezember 2018