Liebespartner, die die bittere Erfahrung machen, dass ihr Liebespartner
noch jemand anderen liebt als sie, füllen unsere Filme,
Romane, Klatscheinheiten und vor allem unsere eigenen Phantasien
und in schmerzlicher Weise die Realität. Seltener gibt
es Untreue aufgrund tragischen Irrtums. Ich kenne ein Liebespaar,
bei dem sie aus Versehen untreu wurde. Und das in der eigenen
Familie! Nennen wir die beiden Olli und Doro. Sie saßen
mit seinem Vater, einem freundlichen großzügigen
Herrn, bei einem freundlichen großzügigen Essen und
der Ältere bot der Freundin seines Sohnes, eben Doro, immer
wieder Freundlichkeiten und Speisen, Getränke und Lebenshilfen
an. Während dieser ganzen ersten Zeit fühlte sich
Doro sehr, sehr wohl. Unterhalb der Tischplatte flirtete ihr
Fuß mit den Füßen von Olli, ihrem Freund, indem
sie das tat, was Olli besonders liebte: Seine Beine abstreichen.
Das beruhigte ihn immer so, meinte Olli. Was wohl übersetzt
heißt: Ich bin froh, dass meine attraktive Freundin sich
in Gegenwart auch anderer Männer hauptsächlich um
mich kümmert. Wenn auch nur unterhalb besagter Tischplatte.
Oberhalb der Tischplatte ließ Doro sich die Annehmlichkeiten
seines Vaters sehr gefallen, älter, wohlhabender, erfahrener
eben. Die Zuwendungskanäle einer jungen Frau gegenüber
Männern verschiedener Generationen sind eben verschieden.
Und umgekehrt. Die Ruhe bei diesem freundlichen gemeinsamen
Speisen war jäh dahin, ja kippte in weniger als
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dem berüchtigten Bruchteil einer Sekunde in peinliches
Entsetzen für Doro, als ihr Olliver (er trinkt gerne Bier)
plötzlich einmal wegen eines plötzlich eingefallenen
Bedürfnisses aufstand - und sich das Bein, das sie bisher
gestreichelt hatte (wir sind wieder unterhalb der Tischplatte)
überhaupt nicht wegzog, ja, dass ein Bein einfach und selbstverständlich
am Ort seiner bisher empfangenen Streicheleinheiten beharrte.
Doro in ihrer innerlichen wie äußerlichen Blässe
sah oberhalb der Tischplatte Ollis Vater an und - wie um sich
das Entsetzliche nochmals zu bestätigen, was wir Menschen
merkwürdigerweise ja oftmals brauchen, sonst würden
wir die scheinbar unerträglichsten Film- und Buchszenen
nicht freiwillig wiederholen - also zu dieser Bestätigung
des einfach Unmöglichen, das geschehen war, tupfte Doro
nochmals in die Richtung, in der sie bisher gestreichelt hatte.
Und - obwohl Olli weg war - stand das Bein unerschütterlich
weiter da. Sozusagen ihrem Tupfen entgegen. Und der Besitzer
dieses Beins sagte souverän, ruhig, indem er die Gläser
auf dem Tisch neu füllte: "Schade, dass du aufhörst
- es war sehr angenehm." Als Olli zurück war von seinem
Bedürfnis, hatte Doro dann das Bedürfnis, so schnell
wie möglich ihrem Schrecken Worte zu geben. Worte, die
die beiden Männer, Vater und Sohn, vergnügt beprosteten.
Obwohl Doro ihrem Streicheln aprupt und für immer in solcher
Situation öffentlich abschwor.
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