Frohes… und guten…!

     

„Fest“ und „Rutsch“ denken Sie bei den Pünktchen in der Überschrift jetzt richtig, folgerichtig. Folgerichtig können wir schon im Voraus bei Worten denken, die uns oft begegnen. Zu oft. Was wir zu oft nutzen – Grußformeln von Grüß Gott bis Tschau, Bockwürstchen, Küsschen auf die Wange, ein Witz mit noch so guter Pointe – verringert seine Bedeutung, wenn es immer gleich ist. Manchmal verliert sich die Bedeutung gänzlich.
„Frohes Fest“, „guten Rutsch“, „frohe Weihnachten“, „gutes neues Jahr“ können sich so abnutzen, dass wir sie nicht einmal mehr selbst ernst nehmen und nur noch die Hälften der Wünsche aussprechen und bei der zweiten Hälfte schon abdrehen.
Das klingt dann so: „Dann ein frohes…“, „Und guten…na, du weißt schon…“
Lieber Gott, oder aktueller: liebes Christkind – ich will beileibe nicht den schönen, lieben, herzlichen Wünschen zu Leibe rücken. Ich will mich nur das Quäntchen sensibilisieren, das nötig ist, damit meine Wünsche ANKOMMEN.
Da könnte ich lernen von denen, die das Gegenteil vom Kürzen der Wünsche kultivieren:Das sind sie, die die Wünsche ungewöhnlich verlängern. Die Folge: Man hört „hinterher“, weil man den gesprochenen Worten das Denken und Begreifen erst hinterherschickt.
Das klingt dann so: „Bald steht das Christkind vor der Tür  - dann holen Sie`s doch rein!“ Oder: „Gutes neues Jahr (da nickt jeder nur halb anwesend) – auf das Sie hoffentlich an seinem Ende gerne darauf zurückschauen!“

Au ha, da muss man ja tatsächlich zuhören und mitdenken.
 

Der Dichter Joseph von Eichendorff (erinnern wir uns, ich schrieb's schon mal) hat sich schon vor 180 Jahren geärgert, das bei seinen Dichterlesungen die Zuhörer nur halb zuhörten. Deshalb begann er mit Freunden das Reimschema, nach dem sich die Enden der Zeilen so hübsch reimen, plötzlich und unerwartet zu unterbrechen und ein Wort zu nutzen, das sich gar nicht reimte. Folge: Die Folgerichtigkeit des Zuhörens war unterbrochen und der Hörende musste verstärkt zuhören…
Und Mark Twain war richtig gemein, indem er den Leuten nicht nur aufs Maul sondern auch auf die Ohren zu guckte, die nicht alles hörten. Er kam absichtlich zu spät auf eine Party und entschuldigte sich bei Gastgebern wie Gästen für das Zuspätkommen, weil seine Frau gestorben sei…es reagierten etliche zunächst mit „Aber ich bitte Sie, macht doch nichts, Hauptsache, Sie sind da!“.
Ich lernte eine ebenso simple, wie durchschlagende Lösung des Problems, denn wir können uns bei dem unendlich vielen Wünschen im Supermarkt, an der Tankstelle, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft ja wahrlich nicht immer kreative Variationen einfallen lassen…
Die Lösung, die ein Professor für Rhetorik (Redekunst) aufschrieb als Tipp für alle, die viel wünschen müssen: Erstens: Dem Gegenüber den Wunsch über in die Augen gucken. Zweitens: Die Worte so langsam sprechen, das man ihnen selbst zuhört und drittens: dabei daran denken, was die Worte transportieren. Ich versuchte es und es klappt: FROHES FEST UND GUTES NEUES JAHR…(vielleicht wirkt es auch ohne Augenkontakt hier…).




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
23. Dezember 2014