Straßenmusiker

     

Trotz Frühling im schon leichten hörte ich in Uelzen noch keine Straßenmusik, aber dafür eine bestürzende Geschichte von einem der ersten Straßenmusiker in einer nahen Stadt.
Angeregt durch die Erzählung von Walter Lobenstein über eine unglaubliche Wette wurde diese Wette in einer sehr nahen und berühmten Musikhochschule wiederholt, weil ein berühmter Mann die Erzählung und deren Botschaft nicht glaubte:  Auch wenn einer der wirklich großen Stars gegenwärtigen Musiklebens auf der Straße spielen würde, etwa im Foyer eines Bahnhofs, kein Mensch würde hören, was, geschweige wer da spiele! Ein kaufendes, reisendes, flanierendes Publikum von heute hätte kein Ohr, ist nicht mehr in der Lage, eine musikalische Höchstleistung aus der heutzutage beherrschenden Überbeschallung mit Musikbrei und –sauce herauszuhören. Das brauche erst Konzertsaal, Medien-PR und ordentlich Geld, das man fürs Hören zahlen müsse.
Der, der das Gegenteil behauptete, nämlich, daß sich große und gute Musik immer und überall durchsetze, gab gerade in der Hochschule ein Internationales Meister-Seminar. Der Wettende war und ist ein Weltstar. Gedacht, getan. Der Gast ist Geiger. Er hatte am Vorabend ein Konzert in der Musikhalle gegeben, dessen Karten vier Monate vorher ausverkauft waren, 12 Minuten standing ovations.

 

Der Stargast stellte sich in den Bahnhof, ein  hübscher Bahnhof, Jugendstil. Er war nicht abgerissen gekleidet, aber auch nicht auffällig. Er spielte den dritten Satz von Beethovens- Violinkonzert in D-Dur. Er spielte ihn von Anfang an bis zum Ende – natürlich ohne playback. Bis zum bitteren Ende, denn es waren insgesamt vierzehn Menschen, die stehenblieben, hörten. Einige nickten, neun taten etwas in den Hut (Baskenmütze) auf dem Pflaster, vier von ihnen schüttelten den Kopf, irritiert und unwissend warum sie irritiert waren.
Wenn nicht im Hintergrund etliche der Kollegen mit einer Kamera fiebernd dabeigewesen wären, kaum glaubend, was sie sahen und hörten  – der Musiker würde tatsächlich unter Straßenmusiker laufen. Oder umgekehrt: Achtung Straßenmusik: Darunter können wirkliche Genies sein. Unerkannte und erkennbare. Nur Hören beim Vorbeigehen reicht eben nicht. Zuhören, Innehalten und Lauschen ist der Schlüssel.   
PS: Die Agentur des Stars verbot Namen und Ort, nur Anonymes war erlaubt. In der Baskenmütze lagen übrigens 14 Euro. Davon 1 Fünferschein, der Rest in Münzen. Das Honorar am Vorabend betrug 25 000 Euro (i.W.Fünfundzwanzigtausend).




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
23. April 3013