Es geschah in einer Runde mit kirchlichen Mitarbeitern: Man hatte lange und intensiv gearbeitet. Jetzt hockte die Gruppe von zehn PastorInnen, Diakonen und Verwaltungsleuten beim Wein unten im Keller. Zwei Tische wurden zusammengeschoben, weil man/frau sich in der Arbeit bestens verstanden hatten und jetzt nur noch dies gute Verstehen im Zentrum stehen sollte. Schwerer Wein wurde eingeschenkt, guter Wein. Beim ersten Glas tauschte man die allen gemeinsame Bekümmernis aus, Margot Käßmann als Leitfigur für mehr als nur die deutsche Kirchenpolitik verloren zu haben. Beim zweiten Glas hob so ein heiterer Sonnyboy-Typ unter den modernen Gottesdienern sein Glas und prostete einer Dame gegenüber zu, die in einem kirchlichen Rentamt arbeitete und sich als „Margot“ samt Nachnamen vorgestellt hatte.
„High – Margot!“ rief der Sonnyboy über den Tisch rüber, schwankte ein bisschen nach links und rechts und zurück und mimte sich auch mit den nachfolgenden leicht angelallten Worten restlos in die Rolle des angeheiterten Salonlöwen. “High – Margot, auf wwwwen ---weeeen trinken wiahia - jetzt? Den Ha-ha-hailigen Vater oder die Orthodoxen innn Russland un Griechenland? Oder hamwer schon 1,5 Promille?“
Die meisten lachten, die einen laut, die anderen verschämt, wieder andere gequält. Einer schüttelte den Kopf. Die Rolle eben war gut gespielt und die Sprachdehnungen und –pausen, |
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die Wiederholungen der Laute und Silben, mutiert durch Alkohol, waren die eines supervergnügten Genusstrinkers beim ca. vierten Glas. Wo noch alles in Ehren sein soll. Dabei war es erst das zweite.
Witze durchlaufen Karrierestufen. Sie können schlicht sein oder schlicht primitiv. Oder kritisch. Oder/ und taktlos, rücksichtslos. Oder gemein, brutal.
Spannend ist in der riesigen wissenschaftlichen Forschung zum Thema Witz, dass die härtesten, kritischsten Witze, also die, die durchaus auf Kosten von jemandem oder von etwas gehen, aus dem eigenen Lager stammen. Die besten Witze über katholische Priester stammen aus katholischen, die besten über lutherische Pfarrer aus evangelischen Pfarrhäusern. Die besten Ärzte-und Therapeuten-Witze wurden in Praxen und Krankenhäusern geboren und die besten jüdischen Witze – na, usw. Auch in der Politik stammen die wenigen wirklich guten aus den parteieigenen Stammtischen.
Die meisten dieser Witze haben ein und dieselbe Hauptaufgabe: Sie sollen Kanal für Frustrationen sein, Auffangbecken für Enttäuschungen, Reparaturwerkstatt von erlittenen Kränkungen. Wie im Falle der jetzt grassierenden Witze zu Margot Käßmann, die statt Leuchtturm-Daseins in der Ev. Kirche nun das Dasein als Kerze am eigenen Altar lebt. Und hoffentlich gute Witze (er)findet über die, die mit Heide-Findlingen im Glashaus sitzen und trotzdem werfen. |