Vom Kontrollieren des Vertrauens

     

Aha – also ab sofort werden Bankberatungsgespräche, wo es um Anlagen geht, sorgfältig mitprotokolliert. Damit die Geld-Anlagen auch wachsen und sich nicht verkrümeln oder schlimmstenfalls nicht mal Geld-Krümel hinterlassen. Statt Protokoll sollte und könnte auch ein Zeuge zuhören, wie anlagenbereichernd wir beraten werden. Bzw. nicht. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser…

Klingt gut, klingt nach Schadenersatzmöglichkeit, wenn der Rat sich als Unrat erweist. Wie beim Arzt, der uns unterschreiben lässt, was er an uns genau wegschnippelt oder dazutut, damit wir hinterher klagen können, wenn statt der abgefrorenen Zehen des linken Fußes die gesunden des rechten Fußes weg sind. Oder wenn ein chirurgisches Kleinst-Instrument in der Bauchhöhle mit eingenäht wird, obwohl es da viel weniger Sinn macht als draußen. Tante Ulrike haben sie schließlich auch schon ein künstliches Hüftgelenk verpasst – und zwar anstelle des gesunden. Vertrauen ist gut, aber - - na, wir wissen schon.

Ich finde es gut für uns Kunden und Patienten. Nur ungerecht, daß man das nur bei Bankberatern und Ärzten macht. Es sollte ausgeweitet werden auf die Beratungen für die menschliche Seele, unsere Psyche. Schließlich ist die mindestens so wichtig wie unser Skelett und dem, was daran hängt und mindestens so wichtig wie Geldanlagen. Ja, eigentlich gehörten minutiöse Protokolle oder mithörend kontrollierende Zeugen in die Seelsorge-Gespräche von Pastoren und Priestern!
 

Sämtliche psychotherapeutischen Sitzungen von uns Therapeuten sollten nicht nur von uns (wie vorgeschrieben) dokumentiert werden, sondern gehören kontrolliert. Was kann da an Beratung für die Seele schiefgehen, wenn wir den Falschen raten, sich selbst zu verwirklichen, sich durchzusetzen, ihr Ego vor Ausbeutern zu schützen usw.Oder umgekehrt den Falschen raten, sich zurückzunehmen, zu bescheiden – o Gott, o Gott, wie viel gutgemeinte Seelenberatungen von schiefen Lebenslagen mündeten in noch schiefere oder gar in irdischen Höllen!

Anzudenken wäre, ob nicht die zu kontrollierenden Berater sich untereinander kontrollieren: Pastoren und Priester supervidieren die Bankberater, die Bankberater die Pastoren und Priester, wir Therapeuten supervidieren alle Kontrolleure und bekommen Erfolgsprämien bei jeder aufgedeckten Mißberatung mit seelischen Folgen oder Geldanlagenverlust. Letztere lösen ja auch nur wieder seelische Krisen aus, zerstören Partnerschaften und Eigentum. Was aus alle dem neuen Dokumentieren und Protokollieren und Kontrollieren herauskommt?Ein ganz neuer Markt. Ich mache demnächst eine Praxis auf mit folgendem Türschild: „Garantiert kontrollfreie Vieraugen-Gespräche. Egal worüber: Ich höre Ihnen ganz unkontrolliert alleine zu.“

Ich kenne schon welche, die dahin kämen: Die ersten tief frustrierten überkontrollierten Berater aus allen Berufen.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
23. Februar 2010