Einer meiner Nachbarn…

     

…hat noch richtig „gedient“. Jan Havelberg war bei den Soldaten. Aber außer seinem Job als junger Soldat hatte er noch einen Job – für die karge Freizeit, die Soldaten nun mal in der Kaserne haben. Er war Filmvorführer, weil er damals schon ein kreativer Technik-Bastler war: Der Projektor, die Film-Rollen, das flinke Auswechseln derselben– dieses Können musste man kennen und können. Denn der Motor des Projektors fing manchmal an zu rasen, wo er nicht sollte (romantischer Kuss) – und zu verlangsamen, wo er das auch nicht sollte

Einer der Höhepunkte dieser Neben-Karriere meines Nachbarn wurde der Kinofilm „Im Namen der Rose“. Sind Sie schon alt genug, den noch zu erinnern? Also: Mittelalter-Milieu, Sean Connery als gelehrter Mönch, sein Scholar, die Einkehr und Bleibe im Kloster.

Mit Klostermilieu reißt man keine jungen Soldaten hin. Auch mit Sean Connery nicht. Aber dann die Szene, deretwegen mein Nachbar Stürme der Anerkennung in Serie einheimste: Die Liebesszene in einem Gewölbe des Klosters, tageslichtarm und dunkel, wie Klosterräume nun mal waren. Der junge Mönch und ein weibliches Wesen. Mit sogar Liebe im Liebesleben. Einvernehmlich hieße das heute.

Für die heutigen Maßstäbe dessen, wie heutige

 

Film-Industrie und Psychologie die Pornographie definieren, war diese Szene damals harmlos –ohne Harm. Und  für die Kameraden und den Filmvorführer, meinen Nachbar, eine Sensation: Erstens diese Szene und zweitens ein Westfilm. Was also heißt, dass die Szene in der damaligen NVA spielte. Die Leistung meines Nachbarn an der Technik an jenem freien Abend im Freizeitraum der Kaserne bestand darin, dass er auf drängenden Wunsch des Publikums hin jene „Stelle“ wunschgemäß handhabte  („Nochmal“, „Wiederholen“). Trotz Dunkelheit im Klostergewölbe und technischer Schwerfälligkeit seines Projektors (Eigentum der NVA für Weiterbildung). Mein Nachbar war der King an diesem Abend mit seinem x-fachen Vor und Zurückspulen der Rolle an eben dieser Liebesszene.
Die Geschichte meines Nachbarn bzw. „des Namens der Rose“ ereignete sich sicher in vielen Kasernen vieler Armeen und es waren soziale Geschichten, Geschichten, die nicht die Bedrohlichkeit der Nachrichten über die heutigen Zugänge zur Inflation auch extremer Formen der Pornographie hatte. Formen, die die Liebe kaputtmacht.

 PS: Falls ich wegen dieser oder ähnlicher Geschichten aus der Leserschaft wieder als sexistisch bezeichnet werden sollte – dann lass ich solch Thema natürlich. Und schreibe nur noch in meinen Büchern darüber.



Den Autor erreichen Sie unter:

Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
21. November 2017