Überraschung

     

Er wurde eine Überraschung, obwohl er eigentlich nie eine ist: Dieser nur spätgeborene Frühling. Pünktlich zum Pfingstfest, das uns jährlich ermahnt: "Schmückt das Fest mit Maien…"
Unsere Region kann sich schmücken, wenn sie will. Mit Maien und vielem anderen, was vielen anderen, besonders Städtern, eine Überraschung ist. Uns nicht: Grünes nicht im Park, sondern in freier Natur. Blütenpracht, von der die Städter nur die Pollen und Allergien abkriegen, wir immerhin auch die Blüten. Fließendes Wasser nicht aus der Leitung oder dem City-Springbrunnen sondern in Hardau, Ilmenau, Schwienau.
Überraschungen nicht für uns, nur für Touristen.
Der Begriff "Überraschung" taucht bis in die 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fast nur in Verbindung mit Militärsprache auf. Noch im Handbuch meines Vaters, Rittmeister bei den Ulanen in Ludwigsburg, steht "Überraschung" nur in Verbindung mit Angriffsstrategien (zu Pferde). Wie "anständig frühere Kriege waren" (Generalfeldmarschall a.D. E. von Mansteinbetonte dies immer, wenn wir,einzelne Zivile und Nachwuchsoffiziere, ihn in München besuchten), ist daran zu merken, daß solche Überraschungsangriffe zu Pferde nie von hinten, nur von den Seiten(flanken) oder von vorne geritten wurden. "Anständig" war ein Krieg dadurch allerdings noch nicht und war es nie.

 

Das Negative an dieser früheren Bedeutung von "Überraschung" findet sich durchaus heute noch. Mittwoch vor diesem Pfingstfest 2013 wurden die Hamburger (und abgeschwächt auch noch die Uelzener) von einem Platzregen "überrascht", wie er seit Jahren nicht in dem Tempo und mit der Masse von Wasser auf einem Quadratmeter gemessen wurde. Leider nicht selten hören wir auch dies: "Ich war völlig überrascht, als mir mein Chef eröffnete, daß er den Vertrag nicht verlängern könne wegen meiner Schwangerschaft" (sagte eine junge Schwangere mit Zweijahresvertrag…). Oder ein Mann: "Meine Frau eröffnete mir damals völlig überraschend, daß sie mich verlassen wird…". Oder von der Morgenzeitung überraschte Politiker. Promis aller Richtungen sind ständig "überrascht", was sie plötzlich im Internet über sich lesen…Am meisten "überraschend" wirkt auf Menschen meist, wenn das eintritt, was am natürlichsten ist: der Tod.
Ich kenne Überraschung auch als Begehrenswertes. "Morgen haben wir eine Überraschung für dich."Dasläßt vorfreuen auf Besuch oder Geschenk oder Ritual. Überraschungen zu Geburtstagen oder Heiligabenden sind programmierte Überaschungen. Die unprogrammierten sind die schönsten. Und die schwersten. Genießen wir die Überraschung, daß wir tatsächlich "das Fest mit Maien schmücken konnten".




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
21. Mai 2013