Erinnerungen an heute
Hans-Helmut Decker-Voigts Kolumne erscheint alle zwei Wochen in der Uelzer Allgemeinen Zeitung. Hier an dieser Stelle wird es ein- oder zweimal im Monat eine neue Veröffentlichung geben.
Call Center

Center ist nicht eine Zentralisierung von rufbereiten Girls und Boys für erotischen Service - sondern ist heutzutage jener computergesteuerte Service von großen Firmen per Telephon, in die der ratsuchende Kunde folgendermaßen reinfällt:
Klaus Düll, einer meiner Mannen für meine Pannen (der Klaus speziell für PC-Pannen) wollte mir - im fernen Ausland nach deutschen Nachrichten dürstend - helfen, durch mein superausgestattetes Laptop "reinzukommen". Ins Internet. "Mobile Telekommunikation - e-mails aus jedem Urwald senden und hinein…"
Statt mir reinzuhelfen, kam Klaus dabei raus - aus seiner sonst garantierten Ruhe. Denn während ich am Handy und damit am einen Ohr des Klaus Düll in Deutschland hing, hing dieser mit dem zweiten Ohr am zweiten Telephon und wählte die Nothilfenummer meiner Telephongesellschaft. Ein "call center".
"Hier ist Ihr Telephonanbieter (es folgt der Name Bsp. T-Mobile, Vodafone - ist ja ganz egal, wer, sie sind alle so)."
"Wir helfen Ihnen gerne. Wenn Sie Auskunft haben wollen über Ihren Kontostand - dann wählen Sie bitte jetzt die 1,
wenn Sie Hilfen brauchen im technischen Bereich - wählen Sie die 2…"
Fünf Sorten Auskunft und Informationen wartete Klaus ab. Dann kam - als letztes bei der "6" - die "schnelle Hilfe bei Netzwerkfragen im Ausland".
Klaus Düll tippte die "6" auf seinem Telephon, tippte aber aufgrund gestauter Aggression,

die er nicht an mir auslassen wollte, falsch. Das fiel ihm erst auf, als sich die elektronische Stimme von der Auskunftsorte "1" (Telephonkosten-Kontostand) wieder meldete. "Scheisse," hörte ich Klaus fern in Deutschland sagen und fühlte mich ihm und der Heimat plötzlich ganz nah. Dann aber hatte Klaus die "6" erwischt und ich hörte ihn "na, endlich" stöhnen und siegreich lachen. Gleich danach ein zweites "Scheisse", nur lauter. Solch malediktologischer Kraftausdruck über den Satellit durch den Äther an mein sensibles, wartendes Ohr gesendet, senkt Heimweh durchaus ab. (Malediktologie, lat.= Lehre von der Funktion von Schimpf-, Kraft-und Fluchwörtern, wörtl. "Schlechtwörterreden").
Das zweite "Scheisse!" basierte darauf, dass Klaus nicht hätte lachen dürfen, denn der Sprachcomputer im call center meldete sich:
"Ich habe Sie nicht verstanden".
Klaus nahm sich zusammen und begann nochmals, wartete die Stimmansage von 1-5 ab bis er erneut die "6" drücken durfte und "Herrgott - diesmal klappts!" sagte. Aber der Herrgott auf der "6" reagierte wie beim ersten Mal: "Ich habe Sie nicht verstanden, bitte wiederholen".
Ich habe recherchiert: Die 12 Minuten mit dem call center kosteten Klaus ca. 22 Euro. Plus 12 Minuten Roaming meines Handy über 8000 km. Nein, call centers sind unmoralischer als alle callgirls und -boys. Bei denen weiß der Kunde, was er für welches Geld kriegt.

(21. Februar 2006)

Den Autor erreichen Sie unter: Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de