Ich bewerbe mich…

     

…und zwar bei einer ganz großen Telekommunikationsgesellschaft. Ich bewerbe mich, weil ich finde, daß ichs besser kann als Herr – nennen wir ihn Herrn Kalter. Frankfurt.
Herr Kalter sitzt in der Technik, Abt. Störungsmeldungen oder so. Herr Kalter ist die dritte Person, an die mich die elektronische Mädchenstimme in der Warteschleife schließlich vermittelt, obwohl ich von Beginn an die Störungsstelle erflehte.
Ich: „Bin ich endlich richtig bei der Störungsstelle?”
„Natürlich“, findet Herr Kalter (von wegen natürlich, finde ich). „Bitte Ihre Nummer. Ich erstelle gleich die Diagnose“.
Herr Kalter arbeitet wirklich schnell bzw. sein PC. „Bei mir liegt keine Störungsmeldung vor,“ sagt dann Herr Kalters Stimme kalt.
Ich sage, daß dies ein Irrtum sein muß. Seit gestern nachmittag seien wir hier alle in der Straße  lahmgelegt – seit diesem irren Regenguß.
Herr Kalter :“Da ist nichts gemeldet – können Sie mir eine andere Nummer geben, die eines Ihrer Nachbarn?“
Ich gebe ihm Bückens Nummer und Horns Nummer.
„Da liegt aber auch keine Störungsmeldung vor,“ sagte Herr Kalter.
Ich erwidere, daß ich sicher wüßte, der Nachbar Bücken habe auch eine Störung und Horns auch und zwar angemeldet, dieselbe Gesellschaft.
„Ja,“ Herr Kalters Stimme wird zögerlicher, „haben Sie schon versucht, den Stecker Ihres Telephons rauszuziehen – das hilft manchmal.“

 

Ich sage Herrn Kalter, ich sei kein Fachmann wie er, aber ob wirklich das ganze Dorf von meinem Stecker abhinge? „Dann muss ich Ihnen einen Techniker rausschicken,“ sagt Herr Kalter mit einem Seufzer.
Wann der käme, frage ich und Herr Kalter sagt: „Morgen.“
Jetzt, aber ehrlich, jetzt erst platzt mir der halbe Kragen. Ich frage Herrn Kalter, was mit einem gewöhnlichen Notfall, beispielsweise Infarkt in meinem Herzen  oder einem der Nachbarschaft, eigentlich wäre…
„Handy,“ sagt Herr Kalter eilig dazwischen, „Handy benutzen.“
Ich werde nie sprachlos, aber manchmal spracharm und erwähne kurz, daß wir hier nur draußen am Graben Handy-Empfang hätten. Funkloch. Weißer Fleck. Wo der Techniker herkäme, Nummer bitte?
Herr Kalter sagt: Ebstorf.  Nummer? Und es gebe gar keine Nummern. Nur email. Aber er wolle sehen. Wegen Herzinfarkt und so.
Ich will auflegen, als Herr Kalter plötzlich erstaunlich freundlich wird: „Ich hoffe, daß Sie mit dem Service-Gespräch zufrieden waren?“
Richtig, erinnere ich: Die Mädchenstimme vor Herrn Kalters Stimme bat, ich möchte den Service nach dem Service doch kurz bewerten. Ich habs nicht getan. Von wegen fair. Aber bewerben werd ich mich. Als Trainer für Basis-Basiskommunikation.
PS: Bückens berichten mir, daß eine Stunde später zwei Männer oben am Hamburger Berg am Tel.Kasten buddelten, zwei Stunden später fünf…




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
20. Oktober 2009