…dann war die Seele schon beruhigt. Ich schreibe von der Stimme der Ingrid Deppe, unserer Redaktionssekretärin, die jüngst in den Ruhestand verabschiedet wurde und auf die die hauptamtlichen Kollegen bereits ihren dankbaren „Nach-Ruf“ posaunten. Nach dem Nach-Ruf hier die Nach-Lese eines freien Mitarbeiters:
Freie Mitarbeiter wie die Barbara Kaisers dieser Welt, die Ute Bautsch-Ludolfs, Kolumnisten und ähnliche Wesen sind so was wie freifliegende Vögel am Himmel. Ebenso ungebunden und frei hinsichtlich der Pflichten wie auch der Rechte. Solche Vögel haben einen Bezugspunkt da unten auf der Erdkruste umso nötiger je weiter weg sie fliegen.
Ingrid Deppe war für mich seit 1983 solch Punkt, nein, eine Bezugsperson. Als solche ist eine Bezugsperson immer auch Nachfolgerin der Mütter dieser Welt. Und nur von dieser gewißlichen Mütterlichkeit aus kann man diese ungewisse Welt erobern.
Sie hat gar keine klischeehaft mütterliche sanfte, liebe, einschmeichelnde, weiche Glucken-Stimme, die Ingrid Deppe. Im Gegenteil. Ihre Telephon-Stimme ist eher rauchig, betont gelassen. So wie wenn diese Stimme hühnerstallerfahren oder kindergartentrainiert ist. Und häufiger in einen aufgeregten Haufen von Hühnern und Hähnen hineinrufen muß: „Kinder ruhig – die Welt dreht sich weiter und – jaha, jaha doch – gleich gibt's wieder Körnerchen…“
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Eine kleine Terz tiefer noch und Ingrid Deppes Stimme hätte Hildegard Knef doubeln können. Von deren Stimme gelenkt hätte ich auch tödliche Abgründe für grüne Wiesen gehalten. Je weiter weg ich von Uelzen Kolumnen schrieb, desto unsicherer die technische Übermittlung. Und so vergewisserte ich mich in frühen, handy-losen Zeiten von Kongreß-Hoteltelephonen oder schlangenreichen Telephonzellen in Brasilien und Australien, in China und USA, in Nordafrika und Skandinaviens Norden bang und bänglich „Ist der Text da, Frau Deppe?“. Und je nervöser meine Stimme klang (welcher Autor schreibt schon gerne umsonst?) desto tiefer zog Frau Deppes Stimme die hörende Seele in den Schutzkeller unter der kommunikationstechnisch immer tobenderen Welt. „Nein, aber der kommt sicher! Da sind nur diese Fax-Auslandsübergänge…“
Die Redakteure und Chefredakteure kamen und gingen (erst der Jetzige „überlebt“ sie). Ingrid Deppe war da. Ebenso kamen und gingen die Spitzen der Institutionen von Stadt und Kreis, von Kirche und Wirtschaft, von Kultur und solcher, die sich dafür halten. Ingrid Deppe lieh allen ihre Ohren und ihren ebenso verlässlichen wie spröden Charme. Allen Spitzen und dem Gegenteil: Solchen, die ganz klein mit Hut ankamen bei ihr im Ohr. Oder mit Protest, Beschwerde gegen das gestern von anderen Veröffentlichte. I.D. war der Puffer, fing ab und auf und hätte auch in jeder Ambulanz einer Psychiatrie ihre Frau gestanden.
Dank und Adieu, Ingrid Deppe, und willkommen Frau Behnke (der ich dann in ca. 35 Jahren Ähnliches wünschen werde. Dann bin ich 96…) wünscht ein freifliegender Autor!
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