Womit wir leben (müssen)

     

„Oh – so schließ ich mein Auge zu vor all dem Kriege der Welt – und ziehe mich still in das Land der Musik (…) zurück.“ Vor rund 200 Jahren legten die Autoren W.H. Wackenroder und L. Tieck diese Worte ihrem Kapellmeister Berglinger in den Mund.
Solch resignierten Rückzug konnte man bei „9/11“, dem Terrorangriff  auf das Word Trade Center in New York damals und möchte man derzeit bei der Ermordung des Charlie-Redaktionsteams auch antreten. Und bei all dem dazwischen liegenden und erst kommenden Terror-Horror auch.
Oder aber wir erinnern uns an die Gedanken von Carl Friedrich von Weizsäcker, Physiker, Philosoph und Friedensforscher, vor rund 40 Jahren, knapp 20 Jahre vor Glasnost und deutscher Wiedervereinigung. Er wies auf die (Un-) Mengen von Energiepotentialen hin, die der Kalte Krieg zwischen den beiden großen Blöcken des Sowjetreiches einerseits und den USA/ Westeuropa verschlang - in den Menschen auf beiden Seiten. Energie für Aufrüstung und Abschreckung gleichermaßen. Weizsäckers Vision damals: Wenn die beiden Blöcke aufhören, welche zu sein, wenn der Kalte Krieg nicht mehr wäre, wohin dann mit diesen

 

Energien im Menschen? Wohin mit den destruktiven Aggressionen in uns Menschen und unseren Gruppierungen?

Eben - Weizsäcker nannte damals jenes Kind beim Namen, das erst später geboren werden sollte: Terrorismus.
Dazu paßt noch eine Erinnerung: Golo Mann u.a. stellten fest, dass in den 1000 Jahren vor den deutsch-französischen Kriegen im 19. Jh. von deutschem Boden kein größerer Krieg mit den Nachbarländern ausging. Keine Energie also für die großen und dann größten Kriege auf Mutter Erde. Warum waren wir so lange pazifistisch? Waren wir gar nicht. Es gab statt des großen Krieges unendlich viele kleine Kriege der deutschen Fürsten untereinander, weshalb die Energie auf deutschem Boden verströmte, nicht auf fremdem, den es zu erobern galt. Das holten wir dann im 19. Jahrhundert in Frankreich und in den größten Kriegen, die es bisher gab, im 20. Jahrhundert nach.
Finden wir uns also damit ab, dass wir Terror, die vielen kleinen Kriege, „aushalten müssen“ (sagt Rolf Tophoven, Terrorexperte und Chef des Instituts für Krisenprävention in Essen). Um große zu vermeiden.   




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20. Januar 2015