Jetzt laufen sie: WM und der Ball

     

Eine kleine Philosophie zum Fußball und dessen Göttern schrieb ich schon einmal. Aber da hatte ich noch nicht einem Fußball-Gott die Hand gedrückt.
Mein Bekannter, er hatte auch mal mit Fußball zu tun, das wusste ich,  sagte  nur, dass er nachher von einem Bekannten abgeholt werde. Sonst sagte er nichts Da stand er nun im Türrahmen, dieser freundliche Bekannte von meinem Bekannten, hielt mir die Hand hin, sagte seinen Namen und lächelte dabei. Dann fragte er seinen Bekannten, wie es gewesen sei bei mir. Ein freundlicher Mensch, ganz gewiss. Aber wer hat schon Zeit, alle freundlichen Menschen kennenlernen zu können und zu wollen. Deshalb verabschiedete ich die beiden, weil ich noch einen Termin hatte.
„Sie sind wohl an Fußball nicht sehr interessiert?“ fragte mein eigener Bekannter das nächste Mal vorsichtig und ich nickte, erstaunt, woher er das wüsste. „Ja“, er zögerte, „das war doch Oliver Bierhoff, der mich letztes Mal abgeholt hatte.“ Ich fragte, wer das sei und da – das einzige Mal – lachte mich mein Bekannter fast aus. Nur fast. Aber meine halbflüggen Töchter zuhause schrien vor Entsetzen auf, als ich ihnen das erzählte, wollten meine Hand sehen, die Oliver Bierhoffs Hand geschüttelt hätte und waren stundenlang mucksch, dass ich diesen Herrn Bierhoff nicht mal reingebeten hätte. 

Das war vor einigen Jahren. Seitdem denke ich über ihn nach. Den Fußball und seine Götter.
 

Seit letzten Donnerstag zeigt sich König Fußball weltweit auf unserer runden, gelassenen Mutter Erde, deren Symbol der Ball ohnehin schon immer war. Apropos „Erde“: Als Weltmeister von 2014 und 2010 sind wir jetzt in Russland. Eigentlich könnten gerade wir Dopppelweltmeister uns die Bescheidenheit leisten und uns begnügen mit „Erdmeister“. Denn mehr sind keine Sieger je gewesen.   
Zurück zum Ball: Es ist nicht der Ball, den wir zum König und heute gottähnlich gemacht haben, sondern derjenige, der mit ihm siegt. Derjenige Spieler, der ihn so kunstvoll tritt, dass er siegt, wird zu einer Gotthöhe erhoben wie wir es mit den Sean Conneries und Julia Roberts unter den Schauspielern nie machen und schon gar nicht mit den Politikerinnen und Politikern. Es gab durchaus Zeiten, in denen wir (und andere vergangene und heutige Völker) unsere politischen Führer gottähnlich machten. Mit denen jedoch scheiterten und scheitern wir ausnahmslos im Jammer. Deshalb üben wir uns in sowohl führungsarmer als auch religionsneutraler Demokratie, die uns von verführerisch-gefährdenden Politik-Göttern, den Adolfs und Donalds, gewesenen und kommenden Gefährdern, befreite.
 Der Ersatz nun sind die neuen Götter, sind der Sport und seine Größten.

Ach, wenn ich doch doch nochmal Oliver Bierhoff die Hand drücken dürfte…



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
19. Juni 2018