Wilhelm

     
Zunächst war er für mich "Ilse`s" Mann. Ilse ist eine Freundin von Christine und ist ihr entfernt - vom Grundtyp - ähnlich. Weswegen ich schon früh ein Auge auf sie geworfen hatte, sie später auf mich mehrere. Allerdings nur deswegen, weil sie mich malte. Denn Ilse, Wilhelms Frau, war und ist als Frau immer schon pädagogisch wie künstlerisch bemerkenswert.
Dann holte Wilhelm sie in meiner Wahrnehmung ein. Denn Wilhelm, um den es hier geht, trägt einen verpflichtenden Namen: Um 1903 war "Wilhelm" der meistverbreitetste Name für Knaben und Männer, die wirklich welche sein oder werden sollten - wie die 43 (i.W.: dreiundvierzig) "Wilhelms"), die der neueste Brockhaus auflistet: Deutsche Kaiser, Könige, Großherzöge, Fürsten…nur die Bedeutendsten unter ihnen.
Unser Wilhelm ist Landwirt. "Bauer", wie wirklich selbstbewusste und selbstsichere Landwirte sich trotz ihres akademischen Grades eines "Dipl. agr." nennen. Außerdem ist unser Wilhelm Ortsbürgermeister von Groß-Liedern.
"Was? Von was?" fragte mich der frühere Präsident meiner Hochschule und gleichzeitig der Deutschen Rektorenkonferenz in Hamburg, dem ich Wilhelm und Ilse bei einer Gala auf der Millenium-Party 2000 in Hamburg vorstellte. Und nachdem ich meinem Präsidenten und dessen Nachbarn, einem SPD-Staatsrat, wiederholt hatte, wer Wilhelm sei und woher er käme, guckten sie nachdenklich. "Der hat so was Euer - Euer was noch mal?" murmelte mein Präsident, Wilhelm hinterhersehend, und am Ende des Abends sagte der SPD-Staatsrat: "Das sind schon Typen da bei Ihnen in der Heide - könnten wir gut einen von brauchen…" Sagte er, nachdem ich ihm sagte, Wilhelm sei CDU.
  Wilhelms Name sammelt das, was die Menschen mit dem Namen "Wilhelm" an Idealen verbanden: Seriöses, Verlässliches, etwas Festes für Zeiten des politischen oder familiären Hurricans. Und unser Wilhelm ist so. Sogar noch fester, seriöser, verlässlicher als viele seiner fürstlichen Namensvettern, die oft genug sich nicht vertrugen, daraufhin Verträge brachen und ihre Völker in Katastrophen stürzten. Unser Wilhelm hat den Mut eines Wilhelm Tell, den Großen außerhalb Groß Liederns selbstbewusst und kompetent gegenüber zu treten und mit seinen Worten schusssicher zu sein - ohne zu verletzen. Er liebt die, die Politik mit Würze und vor allem Kürze formulieren. Wilhelm aus Groß Liedern hat mit Wilhelm I., dem die Welfen sonst nicht nahe stehen, die Großzügigkeit gemein und die Freundlichkeit. So wie Wilhelm I. von Preußen gerade seine Feinde betont grüßte, grüßt auch Wilhelm. Nur Proleten grüßen nicht. Und da unser Wilhelm wie viele auch großer Jäger, prägte ihn auch Wilhelm Bölsche. Der, der 1898 "Das Liebesleben in der Natur" schrieb, welches unser Wilhelm bis heute als Forschungsbereich pflegt. Wilhelms natürliche Liebeslebensergebnisse mit seiner Ilse sind beste: Heide-Regine (nur Töchter von Wilhelms heißen so) und Falk, der welchen Doppelnamen trägt?: Falk-Wilhelm…
Wilhelm ist jetzt 60 geworden - und für ihn trifft zu, was in einer der chinesischen Mingh-Dynastien galt: Je älter ein Familienmitglied - desto mehr Steuern müssen seine Kinder für ihn zahlen. Weil sie mit Älteren und Alten einen Schatz der Lebensklugheit hatten.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
19. Juni 2007