Das Hauptgeschenk

     

Er weiß es noch nicht. Aber die Familie. Und ich auch. Weil man auch mich gefragt hatte: Worüber er sich wohl ganz besonders freuen würde - auf dieser allerletzten Weihnachtsfeier für seine Abteilung im Ministerium. Diese Feier hatte normalerweise er immer für seine 32 Mitarbeiter ausgerichtet, seit 18 Jahren. Seine Art und Weise war es, die jetzt die Mitarbeiter auf den Plan rief. Denn es würde die letzte Veranstaltung für ihn als Chef sein. Das neue Jahr bringt gleich zu Anfang seine Versetzung in den Ruhestand.
Ja, womit man ihn wirklich überraschen, richtig staunen machen könnte?…Nein, kein Gutschein für eine Gartenbank. Oder für eine Bauchtänzerin. Oder für eine Ballonfahrt über der Landeshauptstadt im nächsten Sommer. Auch keine über der Lüneburger Heide, aus deren einer Ecke er stammte und in die er immer wieder zurückgekehrt war. Kein Mensch wußte im Dorf genau, was er machte (die ganz besonders wichtigen Leute in Politik und Verwaltung sind eben auf allen Titelseiten. Oder sehr absichtlich auf gar keiner).
Was also wird am 21.12., dem letzten Arbeitstag in diesem Jahr und in diesem seinem Amts-Leben seine Seele wirklich schwingen lassen? Der Minister wird reden, natürlich. Auch ein Grußwort des Bundespräsidenten gibt es. Soll man seinen kleinen Kirchen-Chor engagieren, in dem er bis heute mitsingt und manchmal dirigiert, derzeit Weihnachtslieder, einige auf plattdütsch?

Ich verrate hier, was sein Haupt- und Abschiedsgeschenk wird: Es wird ein Thron aufgebaut im Foyer des Gebäudes, ein tiefer

  Sessel mit Armlehnen und einem Seitentischchen. Dann der Palmenbaum aus dem Ministerbüro (leihweise). Darunter der Teppich aus seinem eigenen. Sodann eine O, 5 Flasche speziellen Pilsners aus Ostdeutschland. Gekühlt. Außerdem ein kleines Kristallglas für ein spezielles Pflümli, ein Pflaumenschnaps, jahrelang im Eichenfaß gelagert. Und ein von Hand silbergeschmiedeter Aschenbecher mit den eingravierten Namen aller Mitarbeiter. 32 Namen. Sowie eine spezielle Brasilzigarre…32 cm lang.
Schon bei den frühen, ersten "Empfehlungen", nicht in öffentlichen Gebäuden zu rauchen, bat er lange vor dem Nichtraucherschutzgesetz seine Mitarbeiter um freiwilligen Verzicht und um Vorbildfunktion für die jüngeren Mitarbeiter und jeder wußte, wie schwer ihm seine eigene Vorbildrolle fiel. Denn er schloß bisher die 14, manchmal 16 Stunden-Arbeitstage im Kreis engster Mitarbeiter mit seiner Brasilzigarre ab. Er war Genußraucher, Genußtrinker - mit höchstem Anspruch an Genuß, der bekanntlich das Gegenteil von Gewöhnung oder gar Abhängigkeit oder gar Sucht ist.
Das werden sie ihm schenken: Einen Abend lang eine "offiziell ungesetzliche Raucherlaubnis". Natürlich werden auch Lachs-Büffet und Minister da sein. Schließlich unterschrieb der Minister nach Rücksprache mit Personalrat und Medizinischem Dienst die Sondergenehmigung. Ob der Minister diese auch beantragen musste in der Kabinettsrunde seines Landes - das weiß ich nicht. Aber, was ich mir Heiligabend zuhause als Hauptgeschenk wünschen werde - das weiß ich jetzt.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
18. Dezember 2007