Alexanders Frau - Alex ist mein nächster Nachbar – ist Lehrerin und wird dies Montag dann gewesen sein: Sie geht in Pension. Nach 43 Jahren. Für mich ein Grund, anläßlich von Alexanders Frau über Alexander nachzudenken, überhaupt über die Männer, die mit Lehrerinnen leben. Dann über seine Frau, also Lehrerinnen. Ladies first:
Frauen wie Alexanders Frau und Lehrerinnen überhaupt sind – allermeistens – Wesen, für die ich Denkmäler bauen möchte, Tage nach ihnen benennen möchte, Straßen nach ihnen taufen, nicht so für Lehrer, zu denen ich gehöre. Denn Lehrerinnen, die um die 1950 im Noch-Nachkriegsdeutschland geboren wurden und jetzt 65 werden, haben einfach nie die Nase voll von Kindern. Obwohl sie – meistens – eigene geboren und andere Mütter damit genug haben.
Die meisten, die bis heute aus der Generation durchhielten, studierten gleich nach 1968 und lösten als Reform-Revolutionäre viele alte Werte auf, um dann neue zu schaffen und – je älter sie wurden - einige alte zu reanimieren.
Lehrerinnen mit 43 Dienst-Jahren auf dem Buckel, nein, dem heutzutage oft noch schlanken, sportiven Rücken, haben bei durchschnittlich 20 Kindern pro Klasse und mindestens zwei verschiedenen Klassen pro Woche ca. 5000 Kindergesichter vor sich, konnten und können sie mit Namen ansprechen, kennen ihre Eltern, sorgen sich um sie, um ihre Kinder und deren Eltern, die die normale Erziehung zum sozialen Benehmen immer mehr an die Schule delegierten. Lehrerinnen begleiten ihre Kinder in die späte Kindheit, in die jüngere Jugend, die Pubertät… und sprechen diese Schüler noch dann mit Namen an, wenn diese Schüler längst die elterlichen Höfe übernommen haben, Landtagsabgeordnete sind oder Silberhochzeit feiern.
Lehrerinnen dieser jetzt aus dem Dienst gehenden Generation wurden eingestellt Anfang der 70 er in der guten alten Schule mit teilweise noch Kohlenöfen, Frontalunterricht und Morgenchoral, sahen Funkelnagelneues kommen wie die „OS“, Orientierungsstufen – und wieder schwinden. In ihrer Dienstzeit schwanden die Gesichter und die Systeme: die Hauptschulen und Realschulen machten der Oberschule Platz. Dann IGS, KGS– was wurde nicht alles geboren für langes und kurzes Leben. Sie arbeiteten mit an Auflösung des Frontalunterrichts zugunsten von Hufeisen, die bekanntlich (Lern-) Glück bringen, sie probierten Kleingruppenarbeitsformen und kooperatives Lernen aus, |
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sie schulterten die Integration und nach dieser die Inklusion von Schülern mit und ohne Behinderungen, standen ersten kindlichen Schülern aus der arabischen Welt gegenüber, die sich alles sagen ließen – aber nie von einer Frau. Sie begleiteten Kinder, deren Eltern und schon Großeltern von Hartz 4 lebten und das Zuhause als alleinigen Lebensort leben. Sie erlebten das Verbot von Handies, dann deren Einbeziehung in den Unterricht. Solche Lehrerinnen erlebten die Erfindung der Pille und staunen, wie jung man heute sein kann, um sie nehmen zu müssen.
Ihre Oberbehörde war die Schulabteilung der alten Bezirksregierung (Alexanders Schwiegervater, der Vater seiner Lehrerin leitete und litt dort auch unter mancher Entfernung vom Alltag der Schule). Aber auch die schwand dahin wie alles auf dieser Welt und Alexanders Frau und ihre mitgehenden Kolleginnen fragen sich an ihrem Schluß oft, was am Neuen in Landesschulbehörde und den mächtiger gewordenen Schulleitungen nun zukunftsfähiger sein sollte als ihre immer neuen Schulepochen. aber – na, lassen wir das. Abschiede sollen dankerfüllt sein.
Womit ich bei Alexander bin und allen, die mit Lehrerinnen, die sie lieben, lebten: Sie alle leiden am Prinz Philipp-Syndrom. Das ist der psychische Zustand von Männern, die jedenfalls seelisch immer hinter ihrer Frau gehen und zusehen müssen, wie ihrer Frau auf offener Straße zugewinkt wird, zugerufen wird. „Hallo – Frau Decker-Vohohcht! Huhu! Hallo!“ Als ob es uns, ich meine die Alexanders dieser Welt, gar nicht gäbe. Aber das Prinz-Philipp-Syndrom wird von vielen Männern souverän erduldet, die ihre Lehrerinnen lieben und bewundern.
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