Tour de Pott

     
Dorothea, kurz mal wieder in der Heimat und lüstern auf diese, schob sich zwischen meinen PC und mich: "Kommst du mit - kleine Radfahrt?"
Ich: "Gerne. Um den Pott."
Die Franzosen bieten ihre Tour de France an. Das Saarland sein "Saar-Pedal-Rennen". Wir hier haben die Tour de Pott. "Der Pott" ist die Kurzbezeichnung für jenes Flurstück zwischen Dorfende und Waldanfang, das mit reichlich Phantasie rund ist. Wie ein Pott. Und wie in Pötte wird in das Flurstück auch was hineingetan, was man hinterher essen will. Der Pott liegt an den Rändern von Roggen, Mais, Gerste, Kartoffeln, Rüben. "Der Pott" wird von einem dieser Wege begrenzt, der - wenn der Mensch seine Schritte hört oder Hufschläge der Pferde oder Reifen von Rädern - wie eine Sonate klingt. Dreiteilig: A-B-A`: Erster Teil Asphalt, zweiter Teil Sandboden mit Grasnarben in der Mitte, dann wieder Asphalt.
Außer Zufahrtweg für unsere Bauern ist der Pott treuer Diener derjenigen, die jene 1000 Schritte tun, die für die Verdauung gleichrangig mit dem Mittagsschläfchen sind (Pottwanderung: 30/35 Minuten). Der Pott dient Friederike und anderen Zeit-und Gesundheitsgehetzten als Jogging-Strecke (10/13 Minuten), als Strecke für Nordic walker (17/25 Min.). Er dient den Reitern an Tagen als Minimal-Auslaufstrecke, wenn in den Wäldern die Milliarden Fliegen und Bremsen nach Pferdefellschweiß gieren (hannoversches Warmblut braucht 10 Min., leichtes Kaltblut 35 Min.). Manchmal dient der Pott führerscheinlosen Jugendlichen als Trainingsstrecke für die Führerscheinprüfung (mit erwachsenem
  Beifahrer 5/6 Min., ohne 3). Und er dient gottverlassenen Fremden als Heilmittel für ihre Profilneurose, in dem er sie ihre schweren Motorräder oder frisierten Mopeds auf sich entlangjagen lässt (3 Minuten 30 Sekunden).
"…um den Pott komm ich mit," hatte ich gesagt. Der Pott war eine gute Zeitbegrenzung.
"Ich frag Mama, ob sie mit will," sagte Dorothea. Christine, ihre Mutter, will immer mit, wenn es um Bewegung draußen geht.
Dorothea fegte die Treppe hoch und schoß sie wieder herunter:
"Mama will mit - aber nur die große Strecke." Die große Strecke hieß durch die Wiesen nach Bode, von dort an Wriedel vorbei durch Ahrensdorf, zurück über die drittrangige Kreisstraße (40 Minuten).
"Die große Strecke ist mir zu weit," sagte ich. "Nur Pott."
Dorothea schoß die Treppe hoch und fegte sie gleich wieder runter.
"Mama sagt, dann bliebe sie hier," keuchte Dorothea..
"Dann fahrt ihr beide eben allein die große Strecke." Christine ist mir manchmal zu sportiv. Aber dann sah ich in Dorotheas Gesicht.
Alles in der Welt kann spalten, im Handumdrehen zerrütten. Auch der Pott. Er kann Anlaß für die bittere Erkenntnis sein, wie unterschiedlich die Bedürfnisse der Menschheit sind. Wieviel ahnungslose Flurstücke sind schließlich Anlaß für ganze Kriege gewesen. Damit unser Pott das nicht wird - - fuhr ich mit. (mit mir 50 Min.).



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
17. Juli 2007