Wir im Ausland

     
Während der EM und auch sonst sind wir da Gäste, Auslandsgäste. Auch wenn dort deutsch gesprochen wird. Wir sind Fußballgäste in der Schweiz und anderswo.
"Ihr habt keine Freude," sagte Ursula zu mir. Ursula ist Schweizerin (Bernerin) und in eben dieser langsamsten Sprache der Welt (die im Kanton Bern) schildert sie uns, wie wir Deutschen in der Schweizer Gastronomie ankommen. Nämlich schlecht. Ursula verdient sich ihr Studium als Aushilfe in einem Restaurant, in dem sich fußballbegeisterte deutsche Fans der beliebtesten elf Deutschen treffen.
"Der Deutsche kommt rein und sagt: `Ich bekomme ein Bier!`", erzählte Ursula, eher traurig als vorwurfsvoll.
"Ihr Deutsche habt keine Freude an Freundlichkeit. Bei uns heißt das `Würdens bittschön a Frisches zapfn - i dank a recht.` Und wenn das Frische kommt, heißt es `Dank rechtschön, danke vielmal!`"
Ursula differenziert (sie studiert schließlich Psychologie im Nebenfach): "Ich meine Norddeutsche. Da friert es unsereiner, wenn die bestellen oder zahlen oder wenn sie ein bisschen warten müssen. Dann heißt es: `Wo bleibt mein Bier, mein Essen?"
Und weiter lobt sie die Bayern und Badener und Württemberger, die hätten Freud an der Freundlichkeit.
Tatsächlich: Meine Ohren hören ab Süddeutschland auch Freundlicheres: "Grüß Gott der Herr, was wünschen der Herr/ die Dame?""Was derf ich Ihna denn Schöns bringe?"
  und weiter südwestlich ab Linz wird daraufgesattelt. Das "Habe die Ehre mein Herr/ die Dame…" ist auch bei Kleinstbestellung eines Kaffee ein selbstverständliches Zuckerli. "Soziale Schmiere" lobte der amerikanische Analytiker James Hilman einmal solche Sprache.
Natürlich sind es Formeln, aber die meisten Ursulas dieser Welt und ihre Kollegen füllen diese mit Authentizität. Wenn wir freundlich sind - dann ist es Trainingsergebnis, nicht gleich gemeint. Die natürlichste Freundlichkeit (Ausnahmen immer die Regel) treffen meine Ohren hierzulande, wenn ausländische Mitbürger bedienen.
Ihnen allen, norddeutsche Ausnahmen und Migranten sind unsere Rettung. Es lässt sich Ursula und den ihren schlecht erklären, dass unser"Ich bekomme ein Bier" und "Wo ist die Toilette" und "Ich will zahlen" ohne ein "Bitte" auch nur eine , , gelernte Formel ist, kein Rückschluss auf unsere Einstellung.
Es sei denn, wir verteidigen unsere so barschen Formeln nach dem Motto von Cousine Mecki, die ihre Gören, meine Neffen, modern erzog, indem sie ihnen jedes "Bitte" und "Danke austrieb mit der Begründung: "Höflichkeit/ Freundlichkeit machen innerlich abhängig, dann süchtig!"
Ursula und ihre Mannen und Frauen im Service der Schweizer Gastronomie rund um den EM-Fußball hoffen auf viele Tore zugunsten der Deutschen.
"Dann sind`s wie ganz anders, die deutschen Gäste - dann herzen und küssen`s ehna." Was Ursula speziell auch nicht mag.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
17. Juni 2008