Vom Wolf im Wolfspelz

     

Der Wolf frisst – gegenwärtig mehr Papier als Fleisch. Millionen von Zeilen in Zeitungen für oder gegen ihn: den Wolf. Nun auch von mir welche - über ihn, der vor Jahren noch die halbe Wand eines Töchterzimmers im Souterrain tapezierte und von Buchcover und –rücken anziehend drohte, mit angriffig schmaläugigem oder treuherzig-werbendem Lächeln. Je nach Projektion des Betrachters. Da war der lebende Wolf nur im Tierpark.
Ich las jetzt in der Neuen Züricher Zeitung von einem Wolf, der von einem Zug der SSB nahe Zürich überfahren wurde. Die Schweizer reagierten überwiegend überrascht, eingemischt viel Mitgefühl über das traurige Ende eines „forschen Wolfsrüden“. Es wurde betont, der Wolf sei schmerzlos gestorben. Was macht den Wolf so anziehend für Verteidiger wie Gegner?
Um 1750 schrieb Johann Heinrich Zedler im „Universal-Lexikon“ über den Wolf, er sei „ein reissendes, arglistiges, sehr gefrässiges und grausames Tier….gefährlichster Feind wilder und zahmer Tiere, das schädlichste und arglistigste aller Raubtiere“. Er zerreiße in Dörfern, Gärten und Straßen auch bei Tag die Menschen. Und: Gott habe den Wolf „dem menschlichen Geschlecht zur Strafe erschaffen…“

 

Mein Zedler-Lexikon hatte noch ältere Vorläufer: 1560, lese ich in der Schweiz, hat der Züricher Conrad Gesner in seinem „Thierbuch“ nur drei Wörter für, nein, gegen den Wolf übrig. „Räuberisch, schädlich, gefrässig“. Ein Vorläufer hiervon ist die Bibel, die vor dem „Wolf im Schafspelz“ warnt und die heutige Zeit hat die Gebrüder Grimm mit Rotkäppchen als Warnung parat. Was bei unserer Tochter nichts half, die Wölfe liebt.
Die Warner haben Recht, wenn sie zurückdenken. Der Historiker Jean-Marc Moriceau bewiese anhand von Sterberegistern, dass der Wolf zwischen 1400 und 1900 neuntausend Franzosen tötete. Da soll man wohl Angst haben.
Aber heute? Wenn auch nur ein Kind in unserer Welt auch nur angebissen würde - dann hätte der Wolf seine neue, alte Heimat nicht mehr lange und der Wolf würde verschwinden müssen.
Ich traue dem Frieden, den die Behörden versprechen, den die aufmerksame Jägerschaft zusagt. Aus diesem Grunde erhalte ich mir meine Wildtierliebe zusammen mit anderen und pflege meine „biodiverse“ Großzügigkeit, die global derzeit – nach Schweizer Radio - wächst. Vermutlich, weil wir in Kunstwelten wie der digitalen ertrinken und uns an letzte Strohhalme klammern.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
16. September 2014