(Christ)Kindliches

     

Meistens zu Advent befiel Gottvater eine gewisse Sentimentalität. Wenn er nämlich an die Hochschwangerschaft der Maria vor ca. 2000 Jahren dachte.Und weiter an die bevorstehende alljährliche Geburtstagsparty in Erinnerung an die damalige gelungene Inszenierung der Geburt seines einzigen Sohnes. Schließlich war damals alles haargenau so abgelaufen wie von ihm geplant und von den Propheten vorhergesagt. War ja auch deren Job.

Jedoch - in die Gedenkfeiern an den Hl. Abenden hatte sich in den letzten Jahrzehnten Routine eingeschlichen, die die Fest-Freude teilweise fade werden ließ.

„Sag mal,“ fragte Gottvater seinen nun ebenfalls ungefähr 2000 Jahre alten Sohn (1000 Jahre sind bei Gott ja nur ein Tag). „Was eigentlich, wenn du mal wieder runtergehst, mein Sohn, so eine kleine Erscheinungstournee?“

„Erwachsen oder als Baby?“ fragte Jesus zurück.„Na, so im Sinne einer zweiten Geburt,“ meinte Gottvater,“das ist doch jetzt sowieso Mode da unten: Diese modernen Re-Inszenierungen alter Sachen.“

„Ich frag mal, wie meine Geburt heutzutage für meine heilige Mama und mich so wäre,“ sagte Jesus, wie immer gehorsam, und berief die Erzengelkonferenz ein, die auch der Mutter Maria diente, die als einzige Frau auch im Himmel Frau bleiben durfte. Denn Engel sind ansonsten geschlechtlos. Die Erzengel-Konferenz nickte bei der Berichterstattung Jesu über Gottvaters Wunsch, weil sich dieser Wunsch ab und an wiederholte wie das Amen in der Kirche. Nämlich immer dann, wenn sich Gottvater nicht genügend gewürdigt fühlte.

Erzengel Gabriel war zuständig für alle interreligiösen Rituale auf Erden und delegierte Kleinstaufgaben der christlichen Kirche immer sofort an seinen Untererzengel, Gabriel den Kleinen.
 

Der recherchierte umgehend im inter-terrestrischen Internet. Gabriel des Kleinen Recherchen-Aufgabe: Wie die Bedingungen vor, während und nach einer zweiten Geburt Jesu auf Erden heute denn so wären.

„O Gott,“ murmelte der Chef von Gabriel dem Kleinen, als er die toilettenpapierrollenlange Ausdrucksliste allein für die heutigen Vorbedingungen für eine gesunde Geburt las! Und dann erst die Folgevorschriften! Jedenfalls für ein Kind aus relativ bürgerlichen Verhältnissen wie denen eines Zimmermanns würden vor einer zweiten Geburt im 9. Monat, also dem Adventsmonat, anstehen: 1. Letzte Ultraschall- Kontrollen 2. Letzte Termine beim Geburtsvorbereitungskurs (einmal ohne, zweimal mit Josef, dem Nenn-Vater). 3. Terminserien bei der Hebamme (von wegen Hausgeburt) und dann diese physiohygienischen Vorschriften des 21. Jahrhunderts: Unvereinbar mit dem Stall, wo Tiere warteten, Tiere ohne jede vorherige Quarantäne und veterinärmedizinische Untersuchung! Nach der Geburt Jesu würden Formulare warten, Standesamt, Finanzamt, die zwischenzeitlich gegründeten Pfarrämter usw.usf.

Der Erzengel rauschte mit dem Recherchen-Print-Ausdruck von Gabriel dem Kleinen davon und lieferte Gottvater eine Kurzfassung ab. Gottvater bevorzugte aber heute nur die Kürzestfassung und winkte auch bei dieser schon nach dem ersten Drittel ungeduldig ab. Denn kurz vorher hatte Gott einen Report aus dem Hl. Land gelesen. Da stand drin, daß in der Psychiatrie Jerusalems von den rund 1000 Patienten, die dort jährlich wegen religiöser Wahnvorstellungen eingeliefert werden, dieses Jahr auffällig viele sich für Jesus hielten. bzw. ihre Säuglinge fürs Christkind.

„Wir lassens,“ knurrte Gottvater Erzengel Gabriel an,“mit dieser zweiten Geburt Jesu. Die erste war ja eigentlich schon ein ausreichend nachhaltiger Erfolg.“




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
15. Dezember 2009