Diese armen Schweine! Wenn ich einer von ihnen wäre -
dann wäre ich jetzt schon schwer geschädigt, litte
mindestens unter Deprivation, die früher Hospitalisierung
hieß. Beides meint die psychischen Schäden, die man
kriegt, wenn man zwangsweise seine gewohnte Umgebung verlassen
und zu lange in Krankenhäuser, Gefängnisse, Heime
gesteckt wird. Oder in enge Ställe. Ich schreibe von den
armen Schweinen, die wir vor nun rund drei Wochen eingesperrt
haben, abgeschoben. Für unser liebes Federvieh klage ich.
Vom Hühnerküken bis zum Vogel Strauß - alles
lebt in Gefangenschaft.
Sie sitzen wegen der Vogelgrippe ein - und dies völlig
unschuldig. Ja, das Schlimme: Da sie keine Hirnrinde besitzen
wie wir, keinen cortex, und in Ermangelung desselben nicht denken
und fühlen wie wir, können sie nicht mal jenes erhabene
Gefühl genießen, ungerecht eingesperrt, moralisch
völlig im Recht und uns ethisch überlegen zu sein.
Wir Menschen leiden in einer Deprivation meist bald unter bekannten
Folgeschäden: Durchfall, Kopfschmerzen, Gewichtsverlust,
Lebenslustverkümmerung, Depression, destruktive Aggression,
Apathie
Unter welchen Folgeschäden leidet jetzt wegen
dieser völlig übertriebenen Quarantäne-Maßnahme
unser Federvieh? Vogelgrippen gab es vor 100 Jahren schon und
trotzdem musste keiner ins Gefängnis. Die Betroffenen starben
einen freien Tod, der ahnungslose lebte weiter in der unbekümmerten
Freiheit der Ahnungslosigkeit.
Übertragen wir das auf Menschen: Werden wir eingesperrt,
weil eine Minderheit von uns erkrankt? Nein, die Minderheit
setzt man in Quarantäne. Mein Gott, haben wir eine Angst
vor dieser Grippe, nur weil wir sie kennen.
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Überhaupt: Je mehr wir kennen an Gefahren, desto beängstigender
lebt es sich. Am schlimmsten ist die Angst des Menschen vor
dem Menschen. Denn darin haben wir ja reichlich Erfahrung, wie
das ist, wenn wir diejenigen Menschen gruppenweise, völkerweise
einsperren - nur weil wir Angst vor ihnen haben und sie loswerden
wollen.
Und was haben die EU und unsere angstinfizierten Regierungen
eigentlich mit den Engeln gemacht, die wir ab in drei Wochen
für den Advent dringend brauchen? Deren Mobilität
hängt auch von Flügeln ab und sind H5N1-gefährdet.
Es wird 2005 die erste engellose Weihnachtszeit geben, mindestens
weniger Engel, denn die Trittins dieser Welt zwischen China
und unserer Ostheide haben auch die in Qarantäne gesteckt.
Nur wildfliegende Wildengel werden wir ab und an in der heiligen
Nacht rauschen hören. Bestenfalls fühlen wir auch
mehr Engelnähe, wenn wir in Kirchen gehen, weil sie dort
kirchengesetzgeschütztes Asyl gesucht haben. Oder schon
gestorben sind. Am Virus-Subtyp H5N1.
Ob der jetzige zusätzliche Geflügelfleischskandal
bereits ein Zeichen ist - ein böses? Für die engel
-und geflügellose Zeit vor uns? Denn an Deprivations-Folgeschäden
erkranktes Federvieh wird ähnlich unmöglich schmecken
wie der Segen eingesperrter Engel schützen kann. Letztlich
sind wir die armen Schweine - engelschutzlos und ohne das Fleisch
freiheitlich erzogenen Geflügels.
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