„Fremd bin ich eingezogen…“ beginnt der Text von Wilhelm Müller, vertont von Franz Schubert in seiner „Winterreise“. Diese deutsche Liebesliedgeschichte der Romantikkann wohl kaum mit den heutigen Fremdlingen, den Flüchtlingen verbunden werden, die jetzt in unser Land, in unsere Region, unseren Ort kommen – oder doch?
Die Empfindung, irgendwo fremd eingezogen zu sein, kennt auch der wohlstandsgesättigste Bürger von heute – wenn er für längere Zeit stationär in ein Krankenhaus kommen soll oder beruflich in einem weit entfernten Land neu anfängt, wie bei Adam und Eva. Nur ohne Paradies.
Wenn ich an „unsere“ Flüchtlinge in unserem Kirchdorf denke, die kürzlich einzogen und mit Wollmütze und Schal bei 20 Grad Wärme in die Hanstedter Kirche kamen, weil sie aus afrikanischer Wärme kommen, dann fällt mir eben dieser Liedanfang ein: „Fremd bin ich eingezogen…“
Mir fallen die Flüchtlinge ein, die 1945/46 im großelterlichen Haus in Celle die normale Hausgemeinschaft von 15 Personen auf 31 (i:W. Einundreißig) Personen anschnellen ließ. Allgemein seien sie „nicht freundlich, aber korrekt“ damals im Westen aufgenommen worden (sagt der heutige Vertriebenen-Vorsitzende). Sie flohen vor der nahenden Roten Armee, weil wir Deutsche diese angegriffen hatten trotz Nichtangriffspakt. |
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Die damaligen Flüchtlinge waren aber Deutsche, gleiche Sprache, gleiche Kultur.
„Fremd bin ich eingezogen…“wie ozeanisch groß Fremdheiten sein können, in die Menschen jetzt bei uns einziehen, die weder Sprache noch Kultur dieses Landes kennen und nur auf ihre Sensibilität angewiesen sind – und auf unsere.
Die untarierte Waage zwischen Fremdheit auf einer Waagschale und Heimat auf der anderen wird durch nichts schöner ausgeglichen (ein bißchen), als durch unsere Wärme, die wir Flüchtlingen entgegenbringen. Und damit ist nicht die Wärme von Wollmützen und Schal gemeint, sondern die Wärme des Herzens, die in diesem Land weitaus überwiegt. Auch wenn die Glutnester in brennenden Asylantenheimen mehr TV-Minuten kriegen als die Herzenswärme.
Müllers und Schuberts Liedzeile ist erotische Liebesgeschichte der Romantik. Eine andere „Liebe in der zweiten Form“ (agape, griech.=ein anderes Lieben als Eros und Sexus) entscheidet jetzt darüber, ob unsere Flüchtlinge sich auf Dauer in ihrer Fremde, unserer Heimat, nur „korrekt“ aufgenommen fühlen – oder mit Wärme. Sollten die heutigen Fremdlinge oder ihre Nachkommen einmal wieder in ihre Heimat zurückkönnen, weil unser reiches Europa dort zu besseren, guten Lebensbedingungen Beihilfen schuf, dann würde das Lied so enden können:
Fremd bin ich eingezogen – als Freund zieh ich zurück. |