Erziehung zum Misstrauen

     

Der tägliche Umgang mit Kriminellen ist mir schwergefallen. Aber jetzt bin ich (fast) durchtrainiert.
Das ging vor Jahren los mit der überraschenden Mail „Es war so toll mit Dir letztes Wochenende! Ein Souvenir im Anhang. Immer die deine: Manuela“.
Nur die Zeitverzögerung meines Stutzens vor dem Duzen rettete mich. Denn ich bin oft am Wochenende in Seminaren mit Menschen zusammen, die mir ihre Freundlichkeit zeigen, aber die kenne ich nicht mit Vornamen. Auch Christine ließ sich rasch beruhigen.
Dann kamen noch mehr Damen mit wunderschönen Namen, bei denen ich nicht mal mehr stutzte. Hände weg von jedem Anhang unbekannten Absenders! befahl der IT – Service in Hamburg und Herr Schultz hier in der Nachbarschaft befahl dasselbe und bauten Warnmauern gegen Junks ein. Mein Vertrauen wandelte sich in Vorsicht.
Es folgten Mahnungen. Erste Mahnung. Zweite. Immer mit Anhang. Die ersten zeigten noch die Warnung, die neuen keine mehr.

„Nein!“ predigten die IT-Experten. Auch nicht öffnen. Nicht mal bei Gerichtsandrohung. Die Vorsicht wandelt sich in Misstrauen, immer wieder reaktiviert bei unbekannten Namen. Und leider waren und sind darunter etliche, die dann umständlich mit ihrem seriösen Anliegen und manchmal zu spät  bei mir ankamen.
 

Weitere Stufe, die das bisher punktuelle Misstrauen in prinzipielles steigerte: Vertraute Absender wie „Ihre Telekom“. „Ihre Volksbank“ meldeten sich. Da bin ich noch zweimal reingefallen und musste büßen mit einer viral begründeten Erkrankung. Nein, nicht ich. Mein PC, mein Laptop, das Tablet.
Meine täglichen kriminellen Kontakte bleiben, weil Kriminalität immer noch kreativer sein kann als Gutgläubigkeit. Die Gefahr lauert ohne Junk-Hinweis, ohne Alarm…und so lese ich: „Bitte entschuldigen Sie vielmals die späte Rückmeldung (…)Wie vereinbart schicke ich Ihnen den neuen Honorarvertrag des Verlags-Anwalts …).
Naja, ich wartete wirklich  auf einen Vertrag (Honorarhöhe in Höhe der Fahrtkosten nach Munster) – und öffnete.
Christine eilte in mein Unglück. „Liest du unsere Zeitung nicht? Da warnt ein Fachmann regelmäßig…“ Doch, tue ich. Ab jetzt gierig. Um mein erst einige Jahre langes Misstrauen zu erweitern.

Es dauert nicht mehr lange, dann ist der erste Enkel realitätsnäher als sein Großvater. Dank der Früherziehung zum Misstrauen. Für die Jahrzehnte vor ihm.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
14. Februar 2017