Gottes nächste WM-Planung

     
Untererzengel Gabriel der Kleine war in seiner menschlichen Zeit auf Erden einer jener gewesen, die sich während der Sportberichterstattung in den Hauptnachrichten mit gerümpften Ohren abwandten, wenn von Fußball die Rede und das Bild war. Er hielt sich bei den kollektiven „Tooor“-Schreien die Ohren zu und bei Diskussionen sprach er bestenfalls milde von „na – so`n Volkssport eben“.

Während der nun jüngst abgeschlossenen WM hatte ihn sein Chef, der Erzengel Gabriel der Große, vorübergehend versetzen lassen. In den ständigen WM Stab-Gottes. Mit einem gewissen nacherzieherischen Hintergedanken: „Dem Kleinen fehlt ein wichtiger Bildungs-Baustein zur multikuturellen Globalgesellschaft, wenn er sich nicht für Fußall interessiert.“ Im WM-Stab Gottes arbeitete Gabriel der Kleine nun zwar nicht in der vorderen Riege der stellvertretenden Oberuntererzengel, welche Gott die jeweils nächsten WM-Spiele vorsortierten: In der Reihenfolge nämlich, wie die Nationen gewinnen oder verlieren sollten, also Abt. Zukunftsplanung). Immerhin aber durfte Gabriel der Kleine im AV-Center diejenigen Spiele im Multmedia-Center vorprogrammieren, die Gott bei der nächsten WM selbst sehen wollte.

„Wieso,“ fragte Gabriel der Kleine in einer Pause in der himmlischen Multimedia-Kantine den stellv. Oberuntererzengel Zebbedäus , einen von denen, die Gott nach den Spielen dann die gewünschten Datenträger zum wiederholten Fußballgenuß in den Player stecken und das sehr seltene Schauspiel dabei erleben durften, Gottvater manchmal auflachen, ja, vereinzelt sogar kurz Klatschen zu hören,

 

„wieso guckt Gott denn die Spiele nochmals an, wenn er sie vorher schon plant, also aus dem ff kennt?“

Zebbedäus schaute Gabriel den Kleinen mit dem freundlich-souveränen Blick dessen an, der weiß, was ein stellvertretender Oberuntererzengel ist.

„Gott kennt natürlich den kleinsten Weg, den die einzelnen Spielprozesse in einer WM nehmen, mein Kleiner“, belehrte ihn Zebbedäus „aber er läßt den Nationalmannschaftsmitgliedern einzeln natürlich kleine restliche eigenverantwortliche Spielräume – wie auch allen anderen Menschen auf Erden. Und die sind spannend für ihn. In den kleinen Improvisationen der Menschen ist ja nicht festgelegt, ob sie dies rückwärts tun oder vorwärts, seitlich, mit Fuß oder Kopf. Fouls und gelbe Karten und sowas plant der Alte nicht vor, weil er sich von den Kleinigkeiten im Fußball dann doch überraschen lassen will. Eben – wie bei allen anderen Menschen auch.“

„Aber warum überhaupt Fußball in dieser – dieser so irren Dimension?“ fragte Gabriel der Kleine, den kleine Reste seiner Abneigung gegen Volkssport Fußball plagten, ausgerechnet dem Sport, den Gott offenbar so liebte. „Fußballstars werden ja wie Götter behandelt?“

„Eben, eben,“ der stellvertretende Oberuntererzengel Zebbedäus senkte seine Stimme,“das ist der Trick: Gott hat derzeit die Religionen auf der Erde auf strenge Diät gesetzt, damit sie wieder demütig werden. Und den Menschen hat er für diese Zeit eine Ersatzreligion geschenkt. Eben Fußball.“




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
13. Juli 2010