Aus der Not geboren…

     

…sind viele große Erfindungen. Bei der Geburt einer solchen Erfindung war ich jetzt dabei:
Es war die Veranstaltung einer Stiftung – denken wir hinein in süddeutsche Lande, wo es die meisten Stiftungen gibt, weil es dort das meiste Geld zum Stiften gibt (Ausnahme Hamburg, die haben's auch).
Wie es sich für Stiftungen gehört, wurde vorne am Rednerpult zum Stiften eingeladen. Genauer: zum Spenden. Noch genauer: Zum Zücken der Börse, Reingreifen in das, was darinnen ist, Abtrennung eines Teils davon in das bereitgehaltene Gefäß. Richtig: wie etwa auch in Kirchen bei der Kollekte.
Der Redner jedoch stockte und ließ die künftigen Mitstifter an einer Panne teilhaben: Die Sammelgefäße für das spontane Stiften lägen dort, wo sie nicht sein sollten. Nämlich nicht hier, wo doch gestiftet werden soll.
Jetzt kam die Not als Miturheberin der neuen Erfindung. Der Redner ließ seinen Blick in die Runde schweifen, welches Gefäß sich auch nur entfernt anbieten könne für das Sammeln von Bargeld. (Solche alten Hüte wie ein alter Hut oder ein glänzender Zylinder oder Bowler, in die man früher stiftete, sind ja seit den Jahrzehnten der Mützen und Kapuzen vorbei).

Der Blick des Redners wurde fündig: Auf einem Seitenbord standen zwei grüne Selterflaschen –
 

als Redehilfe für Redner. Natürlich sind Flaschen, volle allzumal, nicht geeignet als Behälter für Bares. Aber die Gefäße, in denen die Flaschen standen! Es waren diese Kühlbehälter mit silberscheinendem Fuß und Öffungsrand aus Kälte erhaltendem Kunststoff. Das war`s doch!
Die beiden Gefäße gingen rum und taten, was sie sollten: Sie sammelten Geld. Die Erfindung, die eigentlich keine war, bestand nun darin, dass die Kühlbehälter durchsichtig waren. Wie Glas. D.h. man konnte genau sehen, was der Nachbar hineintat.
Das Phänomen: Ich sah nur Scheine. Wer mag zurückstehen, wenn zwei Nachbarn zur Linken oder Rechten nach vorsichtigem Umblick, ob sie beobachtet werden, Scheine in das entsetzlich transparente Gefäß tun? Eben. Keiner. Es waren (fast) nur Scheine. Durchaus nennenswerte.

Die Erfindung gläserner, durchsichtiger Sammelgefäße für Spenden wird um die Welt gehen. Auch Kirchen sollten die alten Säckchen und Säcke - gar noch mit Samtborte und Klingel – austauschen. Sie alle kommen zu mehrfachem Spendenaufkommen. Durch diese Erfindung aus der Not heraus. Genauer: Durch den Wettbewerb menschlicher Scham, sich beim Geiz ertappen lassen zu müssen.



Den Autor erreichen Sie unter:

Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
13. März 2018