Von Machtgelüsten

     

Der Mensch strebt nach Höherem. Wenn er das nicht erreicht, sucht er anderes Niederwild, rottet sich zusammen und gellt und bellt „gegen die da oben“.
Ich wollte auch hoch hinaus. Zuerst wollte ich Pastor werden, weil die von vorne und oben reden dürfen. Dann Lokomotivführer, König, Kaiser, die ganze Karriere eben. Politiker auch, aber als ich da gefragt wurde, legte sich Christine quer. Alles, aber nicht Politik! Gott wollte ich nie werden. Schon weil ich dann keine Beschwerdestelle mehr hätte. Außerdem reichte mir völlig die Zusicherung unseres Philosophie-Lehrers, dass wir alle göttliche Funken in uns hätten. Später hörte ich noch unbescheidenere Geistliche und Psychologen, die meinten, der ganze Gott sei sowieso in jedem, der an ihn glaube. 
Heute weiß ich es besser. Das Höchste der Machtgefühle bietet nicht einer der gewöhnlichen Machtberufe, sondern der eines Telekom-Mitarbeiters, am besten Ressortchef für Verkauf. Oder gleich Vorstand. Das strebe ich an im nächsten Leben.

„Wir stellen Ihre Telephon- und Internetverbindungen am 6. Februar. ab Sofortiger Anschlussvertrag unter ..…“ lasen wir in dem Brief und Panik kam auf: Festnetz weg, Internet weg in dieser gottarmen und handyempfangslosen Gegend. Hilfesuche bei einem Menschen im T-Punkt in… (aber nein, ich petze doch nicht). Der bestätigte den Brief: Jawohl, Abstellung stimmt,
 

aber der neue Vertrag sei billiger. Mit Anschluss inclusive unter 300 Euro. LüneCom-Kunde in wenigen Monaten? Ändert nichts. Neuer Vertrag wird dann annulliert und LüneCom tritt ein? Kostenausgleich? Aber nein, Lüne sei doch nicht Tele-Kom.
Die Panik steigt und 40 Minuten Warteschleife bescheren einen lebendigen Engel in der Telekom-Zentrale Koblenz, nein, eine Göttin. Die sagt, der Kollege da in - wo ist das, wo? Nie gehört – der Mann irre also. Richtig sei die Abstellung. Richtig auch, dass der neue Vertrag nur bis zum LüneCom-Vertrag gilt. Anrechnung? Aber nein, Lüne sei doch nicht Tele-Kom. Aber der Kollege irre bei den Preisen. Nur 60 für den Router…
Wir überlebten den Tag. Es funktioniert auch alles. Weil wir privat einen Notarzt für IT-Technologie im Dorf nebenan engagierten, der sich durch PINs, Passwörter, Zugangsdaten und Kabelberge wühlte. 3,5 Stunden lang auf unsere Rechnung. Plus neuem Router von der Telekom. Wie sagte die Göttin ermutigend: „Das können Sie leicht alles allein – nur Geräte tauschen!“
Diese Erpressung, sagte der Fachmann, mache die Telekom nur mit uns, Alten und Älteren. Ein anderer flüstert, dass die Telekom die LüneCom hackte,  um Adressen von uns künftigen Lüne-Kunden zu klauen, Zwecks letzter Abzocke-Chance. Pfui – das sind paranoide Phantasien!

Aber ich weiß nun, mit welchem Job man zur Willkür der Macht gelangt.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
13. Februar 2018