Der Besuch des Kommissars

     

Ich hatte jetzt einen zu Besuch. Einen echten Kommissar. Sogar Hauptkommissar. Als echten Besuch. Nicht, weil er mich dienstlich besuchen musste – das wäre unangenehm.  Und auch wenn man umgekehrt einen Kommissar besuchtwäre das unangenehm. Weil solchem Besuch eine Vorladung vorausgeht. Keine Einladung.
Mein Hauptkommissar zaubert übrigens privat wie dienstlich meist ein freudiges Lächeln auf Gesichter, wenn er seinen Namen sagt. Er heißt genau so wie einer unserer großen Fussballstars. Mit Vor-und Nachnamen. Christine half mir bei der Zuordnung, weil ich die Stars kaum kenne. Denn ich war 15, als ich erstmals und zuletzt in ein Fussballstadion geladen war. Eintracht Braunschweig. Ein angehender Pastor hatte mich mitgeschleppt und mir bei den Tor-Höhepunkten mit den anderen derart laut in die Ohren gebrüllt, dass ich seitdem Angst vor Affektkontrollverlust habe, Fußball meide und Stars kaum kenne.

Ich frage meinen Besuch Löcher in seinen Bauch. Wo stimmt die Krimi-TV-Realität mit der von ihm überein? Mein Besuch  winktab. Kaum bis gar nicht. Das geht schon los damit, dass echte Polizisten immer nur zu zweit gehen, fahren, laufen, sich verstecken. Nicht wie Maria Furtwängler oder Götz George oder Wallander da einsam in fremde Gebäude einbrechen.
 

Bei Frau Furtwängler tut`s mir irgendwie leid. Die fand ich immer toll, gerade wenn sie allein auf Jagd war. Oder deshalb. Denn ich konnte dann meine Hilfsbereitschaft besser hinzuträumen. Sie erinnert mich sehr an meine ältere Tochter, die auch von Christine ist, aber Christine lehnt jede Ähnlichkeit ab.
Und Gewaltbereitschaft bei Polizisten? Wie kürzlich bei Till Schweiger? Mein Hauptkommissar schließt den Mund, schüttelt voll Trauer den Kopf. „Dies Fernsehen…“
Ich lerne viel an diesem Abend. Z.B. dass nicht nur die GSG 9 und SEKs am Gewehr ausgebildet werden, sondern alle. Mein Hauptkommissar wurde noch unter dem Helm ausgebildet, nicht in diesen Freizeitjogginganzügen, wie sie jetzt auch die Bundeswehr trägt. Ich lerne weiter, dass das Ansehen der Polizei im Volk gar nicht so hoch ist wie bei mir.

„Junge, wenn du Hilfe brauchst: Immer gleich an Polizisten, Bahn- oder Postbeamten, Diakonissen oder Nonnen wenden – die helfen immer!“ lernte ich, seit ich Sprache verstehe. Naives, schlichtes Obrigkeitsdenken, ich weiß, welches zur Hälfte auch überholt ist. Denn Diakonissen und Nonnen tragen jetzt oft zivil. Wie die Kommissare. Meiner kam in Sakko, Flanell mit Blümchen und Rotwein. Schade, ich hätte nichts gegen Uniform gehabt.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
12. April 2016