Wir sind Papst! – gewesen

     

Als die BILD vor 8 Jahren die Wahl des Kardinals und Bayern Joseph Ratzinger  zum Papst mit den ersten drei Worten des heutigen Kolumnentitels kommentierte, in Blockbuchstaben auf der 1. Seite, die größer als jede deutsche Tormeldung von einer Fußball-Weltmeisterschaft waren, ließ sich das erste Mal fragen: Vermißt die (deutsche) Nation eine solche über allem stehende Spitze – und jubelt deshalb? Die BILD – Redaktion ist zweierlei: Sie ist gewiß nicht mit christlicher Frömmigkeit so durchtränkt, daß sie aus eigenem Affekt heraus so titelte. Zweitens ist die BILD (da kenne ich nicht nur einen) derart klug, nie etwas zu präsentieren, was nicht dem Bedürfnis von vielen von uns entspricht. Sehr, sehr vielen. Denn nicht nur die mitgewählten Bayern jubelten anders als bei der Wahl eines Bundespräsidenten. In Kreisen, die weit entfernt von christlichem Fühlen und Denken und Handeln sind, gingen die Blicke gen Rom und zahllose höchst weltliche Führer in Wirtschaft und Politik, in Finanzwelt und Kultur interessierten sich für den „wie heißt er jetzt doch gleich?“.

Ein deutscher Papst, egal wie er sich getauft hätte, rührt an etwas, was das Wissen(schaftliche) vom Menschen benennt als eine „Ur-Sehnsucht nach Höherem, das einen beschützen möge.“ Christen und Mitglieder anderer Weltkirchen mit einem Gott suchen den Schatten unter den Flügeln eben von diesem. Weltlichere Vereine bemühten sich noch bis in die 80 er Jahre ernsthaft um einen Welfenprinzen,
 

den man doch zum König machen könnte, so einen ungefährlichen König oder eine Königin, die dazu da sind, unsere Träume nach Schutz und Repräsentanz ein bißchen real werden zu lassen.Wie die Engländer, die Dänen, die Norwegen, Spanier und die Schweden es haben. Beinah hätten wir es mit Silvia von Schweden geschafft. Aber leider war Gustav Adolf Schwede und exportierte Silvia. „Unsere Silvia“ titelte damals.. – na, raten Sie mal.
Nur – woher kommt unsere Sehnsucht nach Hohem, Höchstem, Allerhöchstem? Sogar immer mehr, je mehr wir Hierarchien abbauen und uns „egal - isieren“? Carl Gustav Jung, einer der großen Tiefenpsychologen, sagte es (sinngemäß) so: Unsere Eltern  sind mitverantwortlich  für diese lebenslange Sehnsucht. Wir verbinden mit den innerlich wachsenden Vorstellungen von Vater und Mutter („Elternimagines“) immer auch theistische, d.h. gottbezogene Bilder. Andere Forscher gehen noch weiter und binden alle religiösen Bedürfnisse und Gruppenbildungen an die Eltern. Da C.G. Jung evangelischer Pastorensohn war, beruhigt er gleich, daß dies zu kurzgegriffen sei. Religion sei etwas eigenes.

Wie auch immer. Jetzt ist er in Frühpension gegangen, unser Papst und ich las seine (spätgeschriebenen) Bücher gerne. Was für ein Trost: Wir können unsere Bedürfnisse nach Höchstem weiter stillen: Durch gute Bücher, Filme – und - wer mag - durch seine oder ihre Religiösität. Wir leben heute die Qual der Wahl. Auch ein Grund für diese merk-würdige Sehnsucht.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
12. März 2013