Weihnachtsmarkt mit Tochter

     

Das Thema gäbe nicht viel her? Alle Eltern sind mit ihren Kindern auf einem Weihnachtsmarkt. Ich auch. Aber unser Kind, das ich zum Weihnachtsmarkt eingeladen habe, ist im 8. Monat, hochschwanger. Ihr Mann: Bandscheibenvorfall, nichts mit Weihnachtsmarkt.
Ich gehe mit dem erwachsenen Kind und dem in ihm wachsenden Enkelkind durch die Budenwelt und schon beim ersten Verharren (Bratwurst) erntet mein Kind mit ihrem Kind ermutigende Blicke, ich misstrauische. Bilde ich mir ein, dass zweimal mit dem Kopf geschüttelt wurde beim Blick auf den Babybauch der jüngeren Frau und auf mich, einem dieser älteren Herren, die unverantwortlich zum 2. oder 3. Mal heiraten - immer jünger werdende Frauen? Tatsächlich führen mehrere Kollegen von mir solch Leben, bei dem ich den Kopf schüttele.
Ich sage beim Weitergehen und nächsten Halt laut und deutlich „Ob Sie bitte meiner Tochter eine Tüte gebrannter Mandeln fertigmachen?“ Und die Tochter spricht mich (auf meine Bitte) dauernd und lauter mit „Papa?“ an als nötig. Und siehe: Die Blicke werden nun auch auf mich freundlich, auf uns beide herzlich, die Köpfe schütteln nicht mehr, sondern nicken. „Ach ja, das ist aber nett – eine Vater-Tochter-Tour“ und ich mache mich beliebt, indem ich noch auf das Enkelkind in meinem Kind hinweise. Moderner Patriarch, der ich bin.

Danach ging es im Streit weiter. Immer wenn ich meiner Tochter etwas kaufen will, worauf ihr Blick länger ruht, will sie nicht.
 

Nur Bratwurst, gebrannte Mandeln. Ich bedränge sie. „Neue Geldbörse – da hast du so lange vor gestanden…“ Sie sagt freundlich nein. „Oder das gebackene Einhorn für Julica vielleicht?“. Das ist die bereits geborene Enkelin. Nein, danke. „Papa, lass uns nur weiter bummeln.“ Ich werde bei dem Kind nichts los außer Winzigkeiten. Keine Spieluhr, keine Fellschuhe. Nicht mal für das Ungeborene.
Ich denke zurück an die sehnsuchtsvollen Blicke, als diese Tochter und ihre jüngere Schwester (auch zweifache Mutter) auf den Weihnachtsmärkten ihrer Kindheit vor den Ständen stehenblieben, lange Augen hier und dorthin sandten und immer wieder meine und Christines Augen auf begehrliche Dinge lenkten. „Neiiin, ihr habt doch schon alles.“ „Nein, du weißt doch, betteln geht erst recht nicht, Kind.“ „Wir haben jetzt wirklich genug eingekauft…“
Dabei bettelten nur ihre Augen, kaum die Zunge.
Verkehrt gewordene Welt: Ich darf nur die paar Kleinigkeiten schenken und möchte so gern mehr.
„Nein, Papa, denk an früher: Ihr habt uns eben gut erzogen. Und das wollen wir mit unseren Kindern auch.“

Ich würde gerne Mäuschen spielen, wenn meine Töchter und ihre Männer dann neben ihren schwangeren Kindern auf den Weihnachtsmarkt gehen. Dann werden sie erleben wie das ist: Liebesgaben nicht mehr bei den Lieben loswerden zu können. Aber Urgroßväter gehen nicht mehr auf Weihnachtsmärkte.



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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
11. Dezember 2018