Ich bin ein Milonier

     

Milonier? Nein, nicht bekannt? Nein, es ist kein Nachbarstamm der Gallier, kein fremdsprachlicher Ausdruck für Millionär sondern was Modernes. Gewisse Kreise reden gleich von „meinem Personal Coach“ wie andere von ihrem Therapeuten. Milonier ist jemand, der in meinen Kreisen hier in der Provinz eine „Mucki-Bude“ aufsucht: Ein Ort des Muskel-Aufbautrainings.
Da müsse ich jetzt auch hin, meint Christine, und hält mir meine Arbeit als Stubenhocker oder Dauersteher am Rednerpult vor. Beides atrophiere mich, nein, meine Muskeln. Dummerweise eilt sie mit gutem Beispiel voran in die Reihe dieser Maschinen, die umgekehrt funktionieren als alle anderen Maschinen: Man soll sie mit eigener Muskelkraft bewegen, statt dass sie einem die Bewegung abnehmen wie selbstsaugende Staubsauger, Aufsitzrasenmäher, Autos.

Die Muskelaufbaugeräte bei Lukas (Name geändert, aber auch Lukas erinnert mich an – nein, nicht die Bibel und Heiligabend, sondern an Krafttraining, denken wir nur an „Haut den Lukas“)heißen Milon und wir heißen  nach den Maschinen. Soweit sind wir schon. Unser Trainer heißt in Ebstorf bescheidenerweise nur Trainer,
 

nicht Personal Trainer, wie seine gleiche Rolle schon in Lüneburg heißt.

Milonier trainieren Muskeln, von denen manche vorher kaum wussten, dass es sie gibt: Vordere und hintere Muskeln und unter denen abduzierende und adduzierende Muskeln. Deretwegen quetscht man sich als Milonier auf schwer fahrbare Fahrräder, zwischen Rollen, die einen nicht rollen, sondern man sie. Die Crosstrainer (cross=kreuzen, überqueren) sollen an die Kräftegrenzen führen. Mich lassen sie diese überqueren.
Ich habe mir einen Krimi gespeichert, den ich mir ab und an reinziehe. Nein, nicht die Krimi-Handlung. Vielmehr diesen Kommissar, der da vor und nach seinen Toten morgens und nachts joggt – durch die Felder, durch die Auen, leichtfüßig, schwingend, kraftvoll. Er erinnert mich mit seinem Eierkopf an mich. Bald werde ich diese zwei Ausschnitte mit dem muskelbepackten Kommissar nicht mehr brauchen: Dann laufe ich da draußen auch so muskelbepackt.
Ich muss nur wieder mehr hin, in die Mucki-Bude, zu meinem Trainer, für den wir sein Personal sind, wir Milonier. Ich muss hin und weniger schreiben.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
10. November 2015