Das Ende - sieben Wochen Hartz IV?

     
Wie sie wohl in die Ostertage gegangen sind? Diejenigen, die sich aus dem vollen Beruf freien Willens in die sieben Wochen Leben unter den Bedingungen von Hartz IV begaben? Haben sie sich Punkt O,oo Uhr in der Osternacht auf Schokolade, gar Niederegger gestürzt, zum Frühstück ein Mehrgangs-Menü gefuttert? Ihre realen Kontoauszüge erleichtert studiert? Glücklich, dass das Ganze ein Planspiel war. nur ein Spiel?

Meine besondere Bewunderung diesen „Spielern“ gilt diesem: Sie spielten das nicht ungefährliche und deshalb mutige Spiel: „Ich lebe jetzt anders (schlechter), als ich sonst lebe.“ Der legendäre Schauspieler Gustav Gründgens musste mehr als einmal, wenn er wochenlang in Goethes„Faust“ den Teufel gespielt hatte, anschließend in psychiatrische Behandlung. Weil er nicht einfach zurückfand in seine eigene Identität. Er ist mit dieser Schauspielererfahrung nicht allein und diese Erfahrungen sind nicht an die Rolle des Teufels gebunden. „So sein, wie ich nicht bin“ ist eine bewusst eingegangene Spaltung. Wirkliches Hartz IV-Leben birgt natürlich eine andere Dimension von Gefährlichkeit als die des echten Hartz IV-Lebens. Real Hartz IV leben zu müssen bedeutet, ohne Zeitbegrenztheit eine neue Identität lernen zu sollen.

Fast 500 gezählte und einige ungezählte Menschen sind dem Aufruf der Diakonie gefolgt und ich bewundere sie. Ich habe nicht gefastet. Weder in alter noch in dieser neuen Form. Nicht mal wie Christine, die immer zumindest auf Süßes und ihr Glas Rotwein verzichtet.

 
Aber ich habe verfolgt, was z.B. Maren Warnecke in dieser Zeit täglich darüber schrieb. Und das hat mich verfolgt. Bis hinten nach Russland hinein, wo ich den März über mit dortigen Studenten und Kollegen arbeitete und nachts im Internet u.a. M.Warneckes tägliche Berichte im Internet abrief. Ich habe die Mitglieder des „Deutschen Kulturzentrums“ hinten an der Grenze zu Kasachstan darauf aufmerksam gemacht, weil sie mir erzählten, dass die besser verdienenden Russen ungefähr mit demselben Satz (ca. 320 Euro) lebenslang auskommen müssen. Gut, auch nicht vergleichbar. Russen leben andere Finanzstrukturen.

Ich las auch Kritisches, etwa „Mit so was spielt man nicht“. Aber dies Experiment war weder spielerische Armut oder Spiel mit der Armut. Diese Art Spiel hat Folgen, denn es gibt nichts Wichtigeres, oft auch nichts Ernsthafteres als (Plan-, Rollen-) Spiel. Ohne Spiel und dessen Kreativität nirgendwo neue Sichtweisen.

Dies Spiel könnte Wichtiges, auch für richtige Hartz IV-Empfänger, ändern: Denn auch Hans-Hermann Jantzen, der Lüneburger Landessuperintendent, macht nach seinem Hartz IV-Spiel jetzt weiter: „So kann man nicht leben!“, adressiert er an Politiker. Hoffentlich hör-, lese –, Verständnis-, durchsetzungsfähige Politiker.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
10. April 2007