„Ich entschuldige mich“…

     

Dr. Hartmut Mehdorn reizt mich. Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, wie der Vorstand der Bahn AG reagiert auf die zigtausendfachen Vorwürfe einer nicht genehmigten, nicht transparent gewordenen Überprüfung aller Bahnmitarbeiter, die statt Vertrauen Misstrauen in alle bedeutete. Die Entschuldigung lautet nun so: „Der Vorstand entschuldigt sich…bei seinen Mitarbeitern…“
Ich war gespannt, wie es bei den ersten Bankobersten, Bankgenerälen und Bank-Marschällen klang, die angesichts der verschleuderten Billionen in die Öffentlichkeit mußten, weil ihre Billionen gar nicht ihre waren. Da gab es gar keine Entschuldigungsbitte, nur „Bedauern“ reihum. Das war angemessen. Denn den bösen Buben unter Bankern kann die Schuld nie mehr genommen werden.
So ähnlich wird es klingen bei dem katholischen Bischof Williamson, wenn er sein Bestreiten des Holocaust bestreiten wird – wenn er denn weiter Bischof bleiben wollen sollte..
Es geht gar nicht.  Dies „Ich entschuldige mich…“. Weil mindestens zwei dazu gehören. Einer, der darum bittet, ein anderer, der die Bitte erfüllt.
„Ich bitte (Dich, Sie, Euch) um Entschuldigung“ – so war es ganz viel früher mal gemeint.

„Ich entschuldige mich“ oder gleich noch kürzer und nichtssagender das Un – und Einwort des hingenuschelten:„Tschuldigung“. Das ist beim versehentlichen Betreten eines fremden Fußes im übervollen Bus vielleicht noch angemessen. Aber bei ernsteren Anlässen steht die Selbst-Entschuldigung für etwas, zeigt etwas:
 

Die Rückführung der Wahrnehmung des Menschen  auf sich selbst, auf sein Ego, auf nur seine Bedürfnisse. Und von diesem Selbst, diesem Ego, diesem eigenen Bedürfnis geht alles aus und macht auch sofort und schnellstmöglich wieder kehrt zu ihm.
„Tschuldigung…“. „Ich entschuldige mich…“ sind Formeln, die das Desinteresse am Gegenüber zeigen. Die Entschuldigung organisiert man selbst, managt sie für sich allein, teilt das Ergebnis dem Gegenüber nur noch mit, damit dieses dieses abnickt. Aus, fertig, Schluß mit dem, wofür man sich entschuldigt.
„Ich entschuldige mich (selbst)“ ist das Gegenteil von dem, was menschliche Kommunikation eigentlich anstrebt und was das (lat.) „communicare“ wörtlich meint: Etwas gemeinsam machen, verbinden.
Wieso es kommt, dass wir heute – wenn wir überhaupt um „Entschuldigung“ bitten - dies dann oft auch nur mit derart zusammengebissenen Zähnen tun, mit innerer Abwehr? So dass die Absicht des wirklichen Wunsches nach einer Entschuldigung beim anderen gar nicht als glaubwürdig ankommt? Und der sich noch gereizter wegdreht oder sagt: „Das reicht mir nicht, das ist zu wenig“ (wie der  Bahnbetriebsrat oder ein gekränktes, verletztes Familienmitglied im oder nach dem Krach).
Leider sitzen wir allesamt im Glashaus und haben uns derart lange daran gewöhnt, uns selbst zu entschuldigen, dass unsere Kinder gar nichts anderes mehr hören, also auch nicht lernen können.
War ich zu scharf? Dann entschuldige ich mich hiermit.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
10. Februar 2009