Er erinnert mich oft an meine Mutter, mein Steuerberater. Obwohl
er mit seinen geschätzt 1,90 strahlend blauen Augen wie
ein Leuchtturm in Aktion wirkt und meine Mutter nur 162 lang
war und eher an den alten Fritz erinnerte. Sie erinnerte mich
an ihn, weil sie Menschen, die über ihren elend hohen Steuersatz
wehklagten, meist die Hand hinhielt, "Gratuliere!"
sagte und trocken hinzufügte, wer soviel Steuern zahle,
der müsse richtig viel Geld verdienen
Mein Steuerberater ist am vorletzten Tag des verendenden Jahres
umgezogen und hat dies gefeiert. Mit 250 (!) Gästen von
11 Uhr bis in den Abend. Und mit jeder Menge Leuchttürmen,
die er sammelt. Leuchttürme stehen auf seinen Tischen,
kleben an den funkelnageneuen Wänden, hängen unter
Decken. Glaube ich jedenfalls, denn eingeladen war ich, leider
aber krank. Sicher aber ist: Leuchttürme wirken schon lange
im Kopf meines Steuerberaters, wirken von den Tapeten auf seine
Frauen und seinen zweiten Mann.
Dreierlei beweist dieser Umzug mit Menschen, Steuerakten, Leuchttürmen
und Gästen. Erstens: Mein Steuerberater und seine Leute
sind beliebt und zwar bei vielen, die er in Sachen Steuern steuert.
Es sollen sogar Finanzbeamte dagewesen sein, die seiner Steuerung
ebenso trauen wie seine Mandanten.
Zweitens: Der Mann versteht was von Chancen inmitten der Krisen.
Und Krisen sind immer Übergänge von einer Zeit zu
einer gewiß neuen Zeit. Mein Steuermann zog am vorletzten
Tag eines Jahres um, das noch als deprimierend schlechtes Wirtschaftsjammerjahr
galt. Und nur Leute wie er, die den Leuchtturmblick um und in
sich pflegen, können über das Alte und Bestehende
und
|
Deprimierende (2005) hinausgucken in die Weite (2006). Und
deshalb riskiert er, investiert er, erweitert sich mit seinen
vier Frauen, und seinem zweiten Mann (arbeitsmäßig
gemeint, nicht fortpflanzungstechnisch). Wo wir alle anderen
am Armutswahn kranken, Sparstrümpfe stricken und jede Erweiterung
durch Nachwuchs krampfhaft vermeiden. Im Unglück bereits
das Glück erwarten - das kann er, mein Steuer-Mann.
Drittens: Mein Steuerberater hat nicht nur einen Namen, der
wie ein Geschenk wirkt. Er schenkt seinen Kunden tatsächlich
Geld, indem er sie auf mancherlei Trotteligkeit hinweist. Mich
jedenfalls. Z.B. dass der Staat versäumte, mir seit zwei
Jahren Kindergeld zu zahlen. Bei meinem Mann sind wir nicht
einfach Kunden, sondern wirklich Mandanten, was von "mandare"
(lat.= vertrauen) kommt.
Mein schenkender Steuerberater und sein zweiter Mann, dem es
dort auch wie auf Rosenfeldern gebettet geht, vermitteln aber
nicht nur ihren Kunden Geld. Auch dem Finanzamt. Indem er uns,
seine Mandanten dahingehend steuert, dass wir auch dort Steuern
zahlen müssen, wo es uns gänzlich unglaublich erscheint.
Z.B. als Tante Ulrike - requiescat in pace! (das bedeutet -
für lutherische Nichtlateiner - Tante Ulrike lebt nicht
mehr) uns ihr Häuschen überraschend vererbte. Da mußte
ich draufzahlen. An die Freunde meines Mannes im Finanzamt.
Gute Berater wie er erinnern mich eben immer an meine Mutter.
Die auch im Unglück oft bereits die Chance sah. Und mit
strahlend blauen Augen dazu gratulierte. In diesem Sinne: Gratulieren
wir uns zum bestandenen Umzug. In das neue Jahr.
|