…singe, wem Gesang gegeben

     

„…nicht an wenig stolze Namen ist die Liederkunst gebannt; Ausgestreuet ist der Samen über alles deutsche Land…“ So euphorisch pries Ludwig Uhland das Singen der Deutschen. 1813 war das. Heute preisen die meisten von uns das „Singen lassen.“ Im doppelten Sinn: Das Singen ganz sein lassen oder durch andere singen lassen. Ganz besonders in der Advents-und Weihnachtszeit. Da haben die CD-Player und Speicher in iPods sonstigem Hightech am Ohr  Hochkonjunktur.
Es waren diese zwei Schritte, die uns Deutsche aus der Welt des Singens weg führten in die Welt des Singenlassens: Einmal war es das Entsetzen darüber, wie die Liederkunst „über alles deutsche Land“ in eine perverse Ideologie führte. Der zweite Schritt waren die Musiklehrergenerationen, die manchem amtlich Unfähigkeit bestätigten. „Zum Notenständertragen reichts -  Mitsingen: Nein…“

Gerard ist so ein Lehrer-Opfer geworden und beharrte darauf, dass es hoffnungslos sei mit seinem Singen. Gerard kommt aus Belgien und ist verliebt in Dorle, eine angehende Lehrerin mit – oh Schicksal! – Hauptfach Musik. Leidenschaftlich sang Dorles Mutter schon während der Schwangerschaft, summte, wenn sie Nähnadeln zwischen den Lippen festhielt und begleitete das Kind durch Unmengen von Kinderliedern und später durch Klassik und Pop.
 

Dorle beweist jedem, der es bisher nicht glaubte, dass er singen kann. Nur Gerard nicht. Im September nun gab es erneut Krach – wegen des Singens, weil dieses doch bald in der Adventszeit und zum Christfest die Mitte des Lebens von Dorle war. Natürlich neben Gerard…und künftigen Kinderchen.Der Streittobte noch mehr im Oktober, als Gerard immer häufiger die eine oder andere Abendstunde weg blieb – ohne einen Ton!Und das, obwohl Dorle wie Gerard bisher die Minuten heilig gesprochen hatten, die sie zusammen sein durften…Also Krise auch den November über…
Jetzt, pünktlich zum Schuh in den St. Nikolaus meldete sich Dorle`s Stimme am Telephonder Eltern: Verschleimt, verheult. „Denkt Euch: Heute morgen weckte mich Gerard mit einem Lied: „Heute Kinder wird’s was geben…“! Sogar drei Strophen. Fast intonationssicher! Seit September nahm mein Liebster Stimm – und Gesangunterricht in Lüneburg, nur damit er jetzt mit mir auch zuhause singen kann…und später mit den Kindern.“
Wie schrieb doch Uhland 1813 weiter: „Deines vollen Herzens Triebe – gib sie keck im Klange frei, säuselnd wandle deine Liebe, donnernd uns dein Zorn vorbei…“ (Singen geht auch billiger: Mitsummen, später singen,wo derzeit überall dazu eingeladen wird. Man muss nicht mehr Notenständer tragen).




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