Wählen wir also. Folgen wir dem Kanzler, folgen wir dem
Präsidenten und wählen. Hoffentlich folgt uns das
Verfassungsgericht, so dass wir nicht umsonst wählen. Gründlich
vorbereitet wählen, abwägend wählen, sorgsam
wählen - ermahnt uns der Präsident.
Diesmal wählen wir nach einem selten gewordenen Kriterium.
Normalerweise wählen wir oft eine Regierung, "in die
wir unser Vertrauen setzen". Ach ja, lang ists her. Aber
Vertrauen, das wir in ein Programm und seine Leute setzen, ist
diesmal lange nicht so wichtig, wie die Umkehrung: Wir müssen
diesmal eine Regierung wählen, die Vertrauen in uns setzt,
uns vertraut, den Wählern. Und nicht wie unser jetziger
Kanzler wieder nagende Zweifel an dem Vertrauen entwickelt,
das wir in sie setzen. Sonst wirft auch die neue Regierung Handtücher
auf den Boden, Flinten in die Politfelder.
Unser Kanzler ist sich unser nicht mehr gewiß gewesen,
vertraute uns nicht mehr. Zumindest denen, die uns bei ihm in
Berlin vertreten. Deshalb das Wegwerfen und die Neuwahl.
Die neue Wahl und ihr Ergebnis im September ist jedoch erst
der kleinste mühsame Anfangsschritt: Wir werden uns bewähren
müssen als treue Wähler durch die Legislaturperiode
hindurch.
|
Wir müssen uns als vertrauenswürdig erweisen, indem
wir fleißiger feedback geben: Im Politbarometer nicht
noch schlimmer schwanken als in der Börse. Wir müssen
dauerhafter die Bitte an die Regierung äußern: Vertraut
uns weiter. Wir verdienen es. Werft die Flinten ja nicht so
schnell weg wie Eure Vorgänger, um sie damit Leuten ohne
Waffenschein zu überlassen. Wie können wir Euch, denen,
die wir wählen, denn nur besser zeigen, dass wir vertrauenswürdig
sind? Periodische Demos aller Bevölkerungsgruppen vor dem
Kanzleramt mit positiven feedbacks? Kettenbriefe, Ketten-e-mails?
Bei Hofe nannte man so was "Huldigungen". Bei niedereren
als den hohen Tieren heißt es schlichter "Loben".
Lobten wir die alte Regierung zu wenig? Sollten wir mehr huldigen?
Was dann die Huld der Regierung uns gegenüber zur Folge
haben würde und wir wären bestätigt in unserer
Verlässlichkeit.
Eine ganz neue Charaktereigenschaft wird von uns erwartet. Wählen
wir also "sorg-sam" abwägend. In dem Wort "sorgsam"
steckt die Sorge, ob wir es nach der Wahl dann schaffen: Die
Regierung davon zu überzeugen, dass sie uns verdient. Weg
wäre sie dann: Die Politikverdrossenheit. Und die Wähler,
die nicht wählen gehen. Alle wär`n sie wieder da
wie
in guten alten Zeiten, als es reuig hieß: "Wir wolln
unsern alten Kaiser Wilhelm wiederham
"
|