„Nein, wie reizend!“ |
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Manche Besucher machen manche Gastgeber gereizt. Denjenigen Gastgeber z.B., der seine Wohnräume und Lieblingsbilder und Lieblingsmöbel zeigt und sagt, der Gast solle sich wie zuhause fühlen. Der Gast sagt aber nichts. Keinen Mucks. Der Blick des Gastes mustert Großmama`s bestes Service im Glasschrank (englisch), überschlägt glatt das Cello (italienisch) und sagt zu den Kindern und Enkelkindern im Bilderrahmen auf dem Kamin nur: „Aha - statistischer Durchschnitt, zwei Eltern, zwei Kinder…“
Stimmt übrigens nicht, statistisch kommen auf die deutsche Durchschnittsfamilie 1, 6 Kinder. Leute wie Tante Ulrike können einen aber auch auf die Palme bringen. Die segeln durch die Räume und stellen Veränderungen fest. „Ihr habt ja die Stühle neu bezogen – war das denn wirklich schon nötig?“ (Tante Ulrike hat sie uns zur Hochzeit geschenkt.).Und auch Onkel Wilhelm`s Art geht einem auf den Keks: Der lobt sich bzw. unsere Wohnungseinrichtung noch zu Tode. Selbst vor der Radierung von Käthe Kollwitz, die jahrelang schon über der Tür hängt, gerät er in ständiges Entzücken und ruft„Wie geschickt gerahmt Ihr das habt! Wie gut es aufgehängt und platziert ist!“ Und beim Cello bleibt er stets kleben und streichelt nochmal den Lack weg (Onkel Wilhelm ist ja Junggeselle geblieben, pflegt aber trotzdem seine Liebe zu weiblichen Formen wo immer er kann). So recht betrachtet ist Onkel Wilhelm am wenigsten erträglich. Denn tsunami-hafte Lobes-und Bewunderungswellen kann man sich schlechter verbitten als Tante Ulrikes Eingriffe in die An-und Abschaffungs- oder Renovierungsbeschlüsse. |
Wie im Fall ihrer Stühle, ich meine, unserer Stühle.
Jetzt habe ich was ganz Neues gelernt, weil ich vorbereitet werde auf einen offiziellen Aufenthalt in Japan. Wenn man privat eingeladen wird – sowieso sehr selten – dann darf man alles, aber nicht vor einem Gegenstand stehen bleiben und diesen bewundern. Oder eine Tasse hochheben und deren filigrane Nachahmung des Kilimanscharo oder einer angedeuteten Geisha-Gestalt kunstkompetent kommentieren. Oder das bestickte Sitzkissen loben, auf dem sogar der eigene Po durch japanische Hochkultur geprägt wird. Nein , gar nichts sagen, darf man. Denn dann, so lernte ich in dem Benimm-Lehrgang für Japan, fühle sich der kultivierte, traditionell erzogene japanische Gastgeber verpflichtet, den bestaunten, bewunderten, entzückenden Gegenstand dem Gast - als Geschenk anzubieten! Mein Nachbar auf dem Benimm-Schnell-Lehrgang wollte einen Witz machen und fragte den Dozenten (ausgedienter Botschafter mit Japan-Erfahrung), was denn passiere, wenn man dem Gastgeber ein Kompliment über dessen reizende Frau machen würde…und wieherte gleich selbst los, wie alle, die Witze zum falschen Zeitpunkt machen. Der Dozent riet denn auch davon dringend ab. Ich hingegen war mit Onkel Wilhelm beschäftigt. Und wie ich ihn in solch einen Lehrgang kriegen könnte, damit er künftig den Mund hält. |
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09. März 2010
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