Ich mache Urlaub in Bayern und hier begreife ich, was ich zuhause
bei aller Liebe vermisse: Die Bayern ziehen sich noch festlich
um, wenn sie ausziehen. In ein gutes Restaurant ausziehen. Oder
sich umziehen, um sich festlich anzuziehen, wenn es für
einen Umzug ist. Nur die Schützen machen sich bei uns noch
die Mühe. Und die Feuerwehr. Aber das sind Uniformträger
und Uniformen haben die Auflage, nichts dran zu ändern.
Sonst wär`s ja keine mehr. In Bayern haben sie aber reichlich
und überall, was wir nur im Museum haben: Trachten!
Ein bewusst lebender bayerischer Mensch zieht sich sogar für
den normalen Sonntag um, für den Kirch - und zugehörigen
Biergartengang. Welch religionsverführerischer Unterschied
zu unseren evangelischen Kirchenkaffees und Saftparties! Private
Bayern und offizielle Bayern, Bürgermeister, Landräte,
die Handwerker und Kopfwerker wie Lehrer - die meisten ziehen
sich aus, um sich umzuziehen, weil es festlich zugehen soll.
Ich hab mir einen Trachtenumzug hier am Ammersee angesehen und
bin neidisch. Noch nach zwei Stunden waren die Augen nicht satt
von den Farben und den Gestalten, die Ohren dafür fast
taub von der Blasmusik bzw. der Häufung der Pauken und
Trommeln, die mit bayerischer Power bedient wurden.
Fast alle machen sie in so einem ordentlichen bayerischen Ort
mit - und zwar in Tracht.
Ich stelle mir das Ganze bei uns zuhause vor: Der amtierende
Uelzener Bürgermeister Otto Lukat nicht nur in der einsamen
Amtskette, sondern im prächtigen heimatlichen "Vorstehergewand"
und mit Silber-Schmuck beladen - je nach seiner Beliebtheit
bei den Vereinen
Oder Propst von Nordheim, zwar nur im
Talar, nichtmal Halskrause wie die hanseatischen Amtsbrüder
und -schwestern, aber volksnah die katholischen Trachtengruppen
aus Soltau-Fallingbostel begrüßend (so wie der Priester
hier die Evangelischen und andere Ausländer begrüßte).
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Landrat Dr. Elster in schmucker Landvogtstracht mit Kniehosen
und vom Weibe in Liebe bunt bestickten Unterwadenschonern. Und
alle Männer mit eng anliegenden Hosen incl. "Sackhalter".
Dann die Frauenpersönlichkeiten hier in Bayern! Da marschieren
die Mütter und weiß-grau-buntgefärbthaarigen
Großmütter mit ihren Enkelinnen an der Hand ihren
vitalen Rhythmus und werfen Kusshände. Ich stelle sie mir
zuhause vor: Die Lange-Brachmann mit silbern-ziselierter Busenbrosche,
die Schmäschke mit seidenen Haubenbändern. Sie alle
mit den samtenen Kropfbändern am Hals. Dann die Pastorsfrauen
(so was hätten nur wir, die Bayern nicht!) auf einem Festwagen
um Ernst den Bekenner geschart (hier in Bayern wars der zweite
Ludwig). Sie wären doch mal echt staatstragende Frauenpersönlichkeiten!
So in all den Leibchen, Blusen und wippenden weiten Röcken,
die manche üppige 70 jährige lustvoller und erregender
schwingt als ihre noch übende Enkelin.
Was ist das für ein karges Einerlei, mit dem wir uns im
Norden alltags wie festtags begnügen. Teenager-Einerlei,
Thirty-ager-Einerlei, Oldies-Einerlei! Variationen höchstens
zwischen Jeans mit oder ohne Löcher oder zwischen T-Shirts
oder Polo-Shirts. Kein weißes Hemd mehr.
Wir hatten all das mal. Zu bewundern im Bomann-Museum in Celle.
Trachten Celler Land, Lüchower Land, Hitzacker-Land, Uelzen.
Nur unsere Kreisuelzener Klosterdamen bieten da was. Und die
Vertriebenenverbände. Aber meist in geschlossenen Räumen.
Es fehlt mir so: Ein Festgewand. Als passives Mitglied der Allenbosteler
Feuerwehr könnte ich höchstens Uniform beantragen,
aber keine Tracht. Vielleicht aber beerbe ich Onkel Martin in
Lüneburg, der zwei Trachtenanzüge in gemäßigter
Auffälligkeit besitzt. Und auch sonntags trägt.
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