Vom Sommer im Sommer

     

Es ist nun mal eine zauberhafte Zeit, die Sommerzeit, die nicht nur unser landeseigener Philosoph Wilhelm Busch und der gesamtdeutsche Liederdichter Paul Gerhard bedichteten und derzeit die Public viewing-Fans der WM in Biergärten mit Großleinwand begeistert. Auch wir Stilleren im Lande können den Zauber genießen.
Speziell den im Juli, wenn die Kirschen reifen.
Den Wagen parkte ich an einem einsamen Zaun zu einem unserer dörflichen Bauerngärten mit Blick auf Rasen und Hühner, Obstbäume und Piepmätze und hundert Meter entfernt auf einen üppigen Kirschbaum, dessen Ast sich neigte unter der künftigen Ernte.
Und da – ganz deutlich, direkt aus dem Kirschbaum, kam er, der Sommer. Ich meine die Musik des gleichnamigen Concerto grosso von Antonio Vivaldi, der durch diese Musik bekannter als Komponist wurde denn als Priester.
Dann kam der Verstand: Mein Autoradio vergessen und es spielte leise? Es war aus. Auch der CD-Player. Der Sommer hielt sich hartnäckig in meinen Ohren. Dann die Beunruhigung: Du halluzinierst. Habe ich eben irgendwo unbewußt Vivaldis Musik gehört oder erinnert und verpflanze die Musik angesichts eines solch strahlenden Symbols für Sommer wie diesen Kirschbaum in eben diesen? Auch nicht.

 

Die Ohren hörten nicht auf, die Musik zu hören und meine Augen suchten ab, woher er kommen könnte, der Sommer von Vivaldi. Aus welchem entfernteren Fenster eines der bäuerlichen Wohn – oder Scheunengebäude die Schallwellen geboren wurden und den „Sommer“ über eine unsichtbare Hall-Echo-Lenkung in den Kirschbaum lenkten.
Dann kam eine tiefere Stimme aus den höheren Ästen des Kirschbaums. So muß Gottes Stimme in Evas Ohren geklungen haben im Paradies. Gott sprach: „Unser Programmtip…“ Dann folgten die Nachrichten: Ukraine, Irak, Putin, Löw…
Klaus kam geradelt und sah mich suchen. Mit den Augen mit den Ohren. Er war es, der ein Kofferradio mit Riesen-Akku in den Kirschbaum gehängt hatte. „Dies Jahr wollen wir endlich mal Kirschen ernten – die Vögel ernteten bisher immer kurz vor uns alles weg.“
Und er erzählte mir, wie sein Großvater es noch gemacht hatte, der kein Radio kannte: Der hing eine lebendige Katze im Drahtkorb in den Baum, die maunzte die Vögel weg. 14 bis16 Stunden Dienst hatte das arme Vieh.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
08. Juli 2014