„Verstehst du, was die gegen Kreuze in Behörden, in öffentlichen Räumen haben?“ fragte der Untererzengel Gabriel der Kleine verwirrt seinen Chef, den Erzengel Gabriel und legte ihm die aktuellen Zeitungsausschnitte aus Bayern und dem Rest der Welt vor. Gabriel, der den Cherubim und Seraphim vorstand und Gabriel dem Kleinen sowieso, reagierte wie Erzengel zu reagieren haben: Nicht verwirrt, sondern entrüstet. Erzengel Gabriel, schließlich offiziell der Chefbote des Himmels, brachte die Zeitungsausschnitte persönlich zu Jesus Christus. Jesus war der Cheftheologe Gottes und wiegte zunächst den Kopf verständnisvoll. Nicht einfach hin und her, sondern in alle Richtungen der verschiedenen Meinungen über den Kreuzzug eines bayerischen Ritters, einem Herrn von und zu Söder in Bayern.
„Stimmt, mein Junge“, sagte Jesus. „An sich haben wir mehr zu klagen über die katastrophal erfolglose Werbung für mein Kreuz als über zuviel. Nicht mal der Geburtstag der Luther-Reformation bremste die Gleichgültigkeit UNS gegenüber.“ Seit Jesus wusste, dass er Gottes Sohn war, sprach er ja im Pluralis Majestatis und schriftlich unterzeichnete er in Großbuchstaben.
„Das Luther-Jahr war eben nur ein Achtungserfolg. Dennoch…,“ Jesus sah sich die Bilder von einem katholischen Kardinal und einem Protestanten an, der sich bescheiden als Vorsitzender seiner Kirche bezeichnete, „…dennoch stimme ich den Beiden zu: Sie müssen sich aufgrund ihrer Rolle sorgen, dass mein Kreuz in die Reihe bayerischer Landes-Logos kommt: Alpkäse, Zwiebeltürme, Ein-Liter-Bierkrüge, Lederhosen, Almauftriebe - und so. Die sind auch Teile der Kultur – |
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und wahlkampfgeeigneter als mein Kreuz.“
„Aber ausgerechnet diese Kirchenführer sind jetzt Bedenkenträger gegen die Reklame, die man für ihre Kirchen macht? Und ausserdem hängst Du doch gar nicht mehr dran, an den Kreuzen!“ Ein Erzengel war kein Sohn Gottes und achtete deshalb nicht so auf die Ausgewogenheit der Meinungsvielfalt.
„Ja, danke, aber ich kann auch lesen,“ meinte Jesus freundlich. „Die Vollchristen sorgen sich eben um mein Kreuz, weil mein Leiden nicht reduziert werden darf auf Kultur, selbst wenn diese christlich heißt. Andererseits wäre es mir unter den heutigen Aspekten der Werbepsychologie auf Erden ganz lieb, wenn es mehr Söders gebe. Sozusagen mit theologischer Schmalstspurausbildung. Ökumenisch – versteht sich.“
„Chef, darf ich mal,“ der Untererzengel Gabriel der Kleine war neben Jesus und Gabriel den Großen getreten und legte einen weiteren Packen Zeitungsseiten auf die tragende Wolke.“Leserbriefe – ganz schön derb manche. Aber treffend.“ Jesus las einen ihm hingehaltenen Leserbrief und lächelte. „Ja, naja, das Derbe sind wir von dort gewöhnt, aber er meint es sicher gut.“
Gabriel der Große las die unterstrichenen Zeilen im Leserbrief von einem Franz-Ludwig Obermeier stumm: „Die Kirche hat Bedenken? Ja mei, da kenne ich viele, die sich nicht nur alle Finger lecken, sondern den Arsch aufreissen würden, damit ein Ministerpräsident solche kostenlose Reklame für sie machen würde. Und die kommen mit Bedenken?“ |