Leselampe

     

Mein mir nächster Nachbar Alexander lebt mit einer Lehrerin zusammen und das heißt: Mit einer Frau, die früh ins Bett will, weil sie früh raus muß. Das schöne Innenleben einer Liebe dadurch, dass man nicht nur Tisch, sondern auch Bett teilt, birgt aber Probleme, wenn im Bett nicht ein Lehrerpaar landet, um wieder paarweise früh raus zu müssen, sondern wenn einer im Bett noch schreibt und liest, wenn der andere schon schläft, zu schlafen versucht. Licht ist das Problem in Alexanders Bett.
Ich erzählte Alexander von
meinen Großeltern. Er: Spätleser, Großmutter: Frühstaufsteherin (Mutter von sieben Schulkindern). Damals kaufte Großvater eine „Spanische Wand", rotes Tuch mit gelbem Drachen drauf, die nach dem letzten Gutenachtkuss in die Besucherritze gezwängt wurde.
Daraufhin fragte Alexander in Uelzen nach spanischen Wänden. „Spanische Wand? - Was ist das? Was meinen Sie?" Also nach Hamburg. Spanische Wand? Was ist das?
Da Alexander natürlich rücksichtsvoll sein will und nicht der Mitschläferin das normale Nachttischlampenlicht (60 Watt) zumuten will, ging er über 40 Watt runter auf 25 Watt.
„Kannst Du dabei einschlafen?"
„Mmmm," (= eigentlich nein). Alexander drehte rote, rosa, gelbe und eine grüne Birne rein.
„Kannst Du dabei schlafen?" „Mmmmm..."

Also Notlösungen.

 

Ich erinnerte  Alexander an die Zeiten heimlichen Lesens unter der Bettdecke. Oberheudorfer, Tom Sawyer, Prinz Eisenherz. Licht gab eine faustgroße Flachlampe aus Blech mit Flachbatterie, die etwa 2 Wochen hielt. Die Abende, wo man bzw. die Lampe entdeckt und konfisziert wurde (weil die Bettdecke immer irgend­wo zu kurz war und Licht durchließ) schon eingerechnet. Besser war die Stablampe, die das weiße Licht mittels verschiebbarer Farbflächen in rot oder grün mutieren ließ. Bei Grün war das Lesen mühsamer, aber wurde weniger entdeckt. Dennoch: Batteriekosten.
Dann der Hit zur Konfirmation: Eine an der Steckdose aufladbare Taschenlampe mit Mattlicht. Nicht mehr lieferbar. Jetzt habe ich inzwischen das Problem für Alexander in Familie und Nachbarschaft bekanntgemacht. Er wurde beschenkt mit Leselampen (vier Stück). Aufladbar, aber kaltes Xenon-Licht à la BMW. Oder warmes Licht unaufladbar und mit Batterien, die bei Alexanders heutigem Lesebedarf zwei Tage reichen.
Getrennte Schlafzimmer? Will seine Lehrerin auch nicht. Also wieder unter die Bettdecke - wie damals. Mit der kleinsten Lampe, die es heute gibt mit 220 V- Kabel für die Steckdose neben dem Bett, 25 Watt mit tiefrotem Schirmchen.
Es wäre noch schöner, das jetzige Lesen, wenn es - wie da­mals - verboten wäre. Meint Alexander. Aber den Gefallen tut ihm seine Frühaufsteherin nicht.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
07. Februar 2012