Kirchenkuhle

     

Vetter Christoph ist Pastor, Dorfpastor, in der Gegend, in der im Südhannoverschen die Tiefebene sich langsam zu Hügeln mausert. Zwischen Restebene und ersten Hügelchen ergeben sich immer Kuhlen. Auch bei uns. Bei Oetzfelde, hinter Hösseringen, um Bodenteich.
Christoph ist mit seinem Kirchenvorstand auch Hausherr und Landesherr. Herr über die zur Kirche aus älteren Zeiten gehörenden Ländereien.
So gehört auch die „Kirchenkuhle“ zu seinem Verantwortungsbereich und gegenwärtig zum Konfliktpotential, denn die Kirchenkuhle wird seit etlicher Zeit mißbraucht. Als Schuttabladeplatz.
Die Kirchenkuhle ist Spiegel des Konsumverhaltens eines modernen  Dorf von heute: 4 alte TV-Geräte (die mit Riesenbäuchen hinter der Scheibe) türmen sich dort, 2 Eisschränke, 2 Tiefkühltruhen, diverse große Kartons, deren von Nässe zusammenfallende Wände Dosen und Flaschen freilegen mit rätselhaften Restfüssigkeiten, 6 Monitore mitsamt verwitternden Keyboards zum Schreiben, 2 Keyboards mit relativ sauberer Tastatur fürs Musikmachen, Lautsprecher in groß und klein und mittel, 2 große Plastiktüten randvoll mit Medikamenten. Kurz: Lauter Sachen, die man in der Sperrmüllabfuhr nicht los wird.
Von dem asphaltierten Säufer-Schleichweg, der an der Kirchenkuhle vorbeiführt, sieht man die Füllung der Kuhle nicht. Eben weil sie eine Kuhle ist.
„Das geht nicht mehr so weiter, das wächst zu einem Berg hoch,“ problematisiert ein erster in einer Krisensitzung des Kirchenvorstands.

 

„Und stinkt zum Himmel“ fügt ein zweiter hinzu.

Der Pastor korrigiert, daß Abfallberg und Gestank den Himmel und seine möglichen Wesen wohl kaum so stören und daher auch nicht so beschäftigen dürfte wie sie selbst, hier unten. Den Kirchenvorstand. Denn es gab Beschwerden. Phantasien blühen.
„Da fährt auch immer der ...(Name ist Vetter Christoph  bekannt, nicht der Redaktion) entlang, regelmäßig, sagt Frau ...vom Dorfausgang (Name ist Christoph, na, Sie wissen schon).
Phantasien werden zu Gewißheiten. „Ist doch klar, der ...(der Name, na ja s.o.) ist doch früher schon gemahnt worden, weil er auch andere Sachen auf dem Komposthaufen hinter dem Friedhof ablud als Kompost.“
Der Kirchenvorstand beschließt, die Kuhle in Eigeninitiative an einem Samstag zu leeren und das Geld für den Transport zur Sondermüll-Abgabestelle des Kreises aus dem Etat zu nehmen.
Dürfen wir nicht.
Dann eben auf Spendenebene.
Danach würde die entleerte Kirchenkuhle gefüllt mit Schlamm und Waldboden aus dem benachbarten Bruchwäldchen (Eigentum der Kirche). Heiner macht das mit seinem Vorderlader.
Jetzt ist ein halbes Jahr vergangen. Die alte Kirchenkuhle ist unberührt und trägt im kommenden Frühjahr ein grünes Kleid. Aber die neue Kirchenkuhle, die im Wäldchen. Die ist schon wieder voll...Modernes Recycling.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
06. März 2012