…war immer schon besonders spannend. Anstößig war es, als Adam in Eva den An-Stoß gab zum ersten Kind und der ganzen Menschheit, anstößig wurden in Folge alle Väter dieser Erde für deren Kinder, die dann sanfter zum Reifen auf die Erde durchgetragen wurden durch die Mütter.
Oder der Anstoß, den große Gedanken großer Menschen den großen Veränderungen der Menschheit gaben: Parallelen, die sich im Kosmos kreuzen, die Entdeckung des Windes im Segel als Fortbewegung, das Begreifen, dass die Erde doch keine Scheibe sei. Gedanken, die den Anstoß gaben und geben zur Teilung nötiger Macht, zur Teilung von Essen, von Energie, zur Teilung von Mit-Teilungen und Gedanken, man könne auch einander verzeihen statt Rachelüsten nachzugeben.
Als anstößig bezeichnen wir auch Denken, das zum Fiesen führt, zum Dreck, in den wir fallen, wenn wir gestoßen werden oder andere stoßen. Anstößiges läßt Wunderbares wie körperliche Liebe nur noch zu Ausschnitten degradieren. Oder wir nehmen Anstoß an der Meinung eines anderen oder stoßen uns direkt an ihm im proppenvollen Bus, in der Schlange vor der Kasse.
Die Welt ist voller An-Stöße, so`ner und solcher und jetzt ist sie reicher um die erste Uelzener Arbeitslosenzeitung „Anstoss“ (konsequent anstößig schon wegen des „ss“ statt des vorgeschriebenen „ß“!).
Geboren aus den Nöten des Lebens unter all den bedrückenden, einschränkenden und kränkenden Bedingungen der Arbeitslosigkeit wuchs hier Kreativität Einzelner zusammen mit kollektiver Kreativität eines jetzt arbeitsreichen
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Redaktionsteams von eben noch Arbeitslosen. „Kreativität“ – das Wort hängt mit dem (lat.) crescere = wachsen, wachsen lassen zusammen. In der Musik sprechen wir vom Crescendo, wenn der Klang an Kraft ebenso deutlich wie kräftig zunimmt. Die Kraft der Redakteure von „Anstoss“ wuchs bewundernswert. So stark, dass sie ihr Produkt auch selbst auf der Straße zu verkaufen beschlossen. Da gesellt sich zur Kreativität noch Mut zur Begegnung mit dem größten Abenteuer, das der Mensch kennt: Die Begegnung mit dem anderen, dem fremden Menschen. Auf der Straße.
Uelzenes Arbeitslosenzeitung „Anstoss“ stößt nun leider auch Etlichen auf. Da sind die kopfschüttelnden Absager, die sich am Anstoss-Redakteur-Verkäufer vorbeischleichen. Da sind die „Nein-Sager“, die es plötzlich eilig haben. Alles Signale der Abwehr, des Anstoss-Nehmens am Anstoss. Die Gründe sind oft: Ich nehme Anstoss an etwas, was mir Angst macht, was mir meine Angst spiegelt, was mich schämen lässt meiner Undankbarkeit für Arbeit und Gehalt, was mich schämen lässt meiner Abwehr, was mich schämen lässt meiner Scham. Wie nur wäre die Reaktion, wenn die AZ-Redakteure, freie Mitarbeiter und Kolumnisten wie ich auch selbst auf die Strasse gingen, um unser geschriebenes, gedrucktes Denken in der AZ direkt an die Leser zu bringen? Ich befürchte Schlimmes: Ich erhielte auch Abwehr – wegen der Belästigung mit Ware.
Ich wünsche dem Anstoss-Team viele gegenteilige Erfahrungen und wünsch mir was: Ein Formular, mit dem ich und andere Nichtuelzener abonnieren können und sicher andere Privatpersonen und Institutionen. Mit einem „Spender-Abo-Preis“ und mit Aufschlag für Porto.
Ich wünsche den Kollegen vom Anstoss, dass sie eben dies weiter tun: Anstossen (mit „ss“!).
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