Gruß-August

     

Ich kenne einen im hohen Amt hierzulande, der deutlich sagt: „Ich habe keine Lust, zu repräsentieren – immer den Gruß-August spielen…“

Jetzt in Japan bin ich zusammen mit meinem Kollegen Alexander unter Menschen, die eben dies sind und zwar offensichtlich gerne und wechselseitig: Gruß-August. Nicht nur trainiertes Hotelpersonal grüßt an jeder Ecke vor und nach jeder Frage und jedem Service mit Lächeln und Verbeugung – auch die Kassiererinnen im Supermarkt grüßen mit lächelnder Verbeugung. Vor und nach der Bezahlung.

Der private japanische Autofahrer zahlt auf den Autobahnen längst Gebühren – wie bei uns die LKW`s und in Frankreich, Österreich auch wir Privaten. Aber die japanischen Gebühreneintreiber treiben nicht, sie grüßen erst aus ihren Häuschen mit – richtig: Lächeln und Verbeugung! Dann wiederholen dies nach dem Zahlen. Auf 80 Kilometern zwischen Kobe und Osaka sind das allein 16 Male das Erleben eines Gruß-August. Insgesamt also 32 Verbeugungen mit Lächeln.

 

In der Rush-Hour vor Verkehrsampeln werden die garantiert entstehenden Staus auf den Kreuzungen von Polizisten nicht nur in weißen Handschuhen geregelt, sondern bei jedem, der langsam genug vorbeifährt, begrüßt – mit Verbeugung und Lächeln! Und wenn Alexander oder ich uns mitten im Fußgängerstrom einer City vom Kongress erholen wollen und in ein unbekanntes Gesicht (japanische Frauen sind eigentümlich schön!) länger als einen Sekundenbruchteil schauen - dann lächelt dies Gesicht mit angedeutetem Kopfnicken zurück.

Bei uns zuhause ist ego-zentrierter Stil Kultur, die Kultur des schnellen Vorwurfs, der Forderung. Mit einem der meistbenutzten deutschen Wörter: Bei uns ist Coolness angesagt.

„Extreme sind das,“ seufzte mein Kollege Alexander, der mich begleitet nach Japan und dem das viele Zurückgrüßen, Zurücklächeln manchmal einfriert und das Verbeugen auf sein Kreuzbein durchschlägt. “Warum werfen wir unser kühles Verhalten in Deutschland nicht mit dieser Begrüßungskultur in Japan in einen Topf und rühren um – es wäre für beide gut. Für die Japaner etwas mehr Zeit einsparend und bei uns Unfreundlichkeit.“




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
05. Oktober 2010