Uelzen - ach je! |
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Als mein Urgroßvater
aus Uelzen meine Urgroßmutter in Neustadt (jenes am Rübenberge)
gefragt hatte, ob sie ihn, den zwar jungen, aber mittellosen Mann so lebenslang
lieben würde wie nämlich er sie und in ein noch mittelloseres
Landpfarrhaus begleiten, da machte sich die Befragte auf zu ihrem Vater.
Denn sie wünschte, was der Jüngling aus Uelzen wünschte.
Der Vater liebte zwar sehr sein Geld und hätte gern einen vermögenswirksamen
Schwiegersohn gewonnen, aber er liebte auch seine Tochter und hätte
sie jedem armen, dafür leidlich gebildeten Schlucker gegeben. Man gab
damals die Kinder eben noch jemandem und ließ sie sich nicht einfach
nehmen, was sie selbst wollten oder gar wegnehmen. Mangelndes Vermögen? Macht nichts, sagte Urgroßmama`s Vater. Landpfarre? Macht auch nichts. Nur als er "Uelzen" als Absender hörte, sagte er seufzend: "Uelzen - ach je!" Und auf Nachfrage meinte er, seine Geschäftspartrner von dort, wenig genug, seien nicht sehr geschliffene Leute. Weswegen sie ja auch so wenig Geschäfte mit ihm und anderen in so fremden Ländern machten. "Aber na ja," stimmte er dann seufzend zu, "er wird ja jedenfalls ordentlich reden können - und nicht nur brummen oder stammeln." Um Geschliffenheit geht es hier und heute also. Um die Kunst, sich zu präsentieren. Genauer: Es geht um jene Geschliffenheit, die jemand bei uns haben sollte, wenn er ein öffentliches Amt übernehmen will. Z.B. ein Mandat als Abgeordneter. |
Und da gibt es unter all unseren
Parteien, die derzeit ihre Kandidaten aufstellen, nun eine Partei in der
Region, die jemanden präsentierte, der sie, die Partei mitsamt ihren
Wählern aus der Region repräsentieren soll. Gar im Landtag, nicht
im Gemeinderätchen. Der Haken: Der Mann muß erst geschliffen
werden. Auf dem Bild in der Zeitung sieht er nett aus, vor allem ehrlich.
Und offen. Er lächelt aus seinem kurzärmeligen Hemd und ist von
daher geeignet, neue Wählerschichten aufzutun als immer nur Anwälte,
Ärzte und andere Freie. Sagt seine Partei. Nur - die Zeitung schrieb,
dass nach der Rede des Neuen die anderen Parteimitglieder seine politischen
Argumente und Ziele viel zu dünn fänden und Butter bei die Fische
müsse bzw. mehr Rüben in seine Zucker- bzw. Denkfabrik. Und die
Zeitung schrieb, dass der Parteivorsitzende gesagt habe, der neue Spitzenkandidat
drücke sich sprachlich noch nicht ausreichend aus. Aber das mache nichts:
Vor der nächsten Parteitagsrede schicke die Partei ihren Neuen noch
in einen Rhetorik-Kurs
Das ist Demontage vor jeder Montage. Königsmacher trainieren ihren Wunschkönig vor der öffentlichen Proklamation desselben. So ist es so, wie wenn eine Klavierlehrerin einen Anfänger ohne jede Übung zum "Jugend-musiziert-Wettbeweb" anmeldet. "Uelzen? Ach je!" würde der Ururgroßvater sagen. Und in diesem Fall recht haben. Glücklicherweise gibt es weisere Parteivorsitzenden und deshalb weniger hilflose Kandidaten. |
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05. Juni 2007
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