Japan: In China und der Heide

     

Die Ereignisse in Japan erreichten mich in China – jeweils gegen Mitternacht. Dann starrte ich auf den einzigen englischsprachigen Sender CNN und erstarrte mit Milliarden anderer Zuschauer, schaudernd auf dem Rücken und in der Seele. Ich war sicher, dass sie nächste Woche nicht nach Deutschland zu uns kommen würden: Die 20 Studentinnen der japanischen womans university, mit deren Prof. Masuko ich schon länger zusammenarbeite. Aber sie kamen jetzt, nicht nur in die Hamburger Hochschule, sondern auch zu uns in die Lüneburger Heide. Nicht 20 kamen, sondern 14 – weil in den Familien der wegbleibenden Studentinnen Trauer um Tote not-wendend war. Auch Prof. Masuko kam wegen eines Tsunami-Opfers in seiner Familie nicht, dafür seine Kollegin Dr. Ichinose, die so zerbrechlich wirkt, wie die Situation in Japan ist und so fein, wie die Japaner mit ihrer Trauer umgehen. Frau Kimura, die Übersetzerin, hatte mir schon nach China geschrieben: „Nein, wir kommen jetzt erst recht! Die Studentinnen sollen Kräfte sammeln in den Begegnungen in Deutschland, um dann zurückzukehren und mit "frischeren Kräften das Land aufbauen zu helfen, Krisen-Therapien für traumatisierte Familien mit Kindern anzubieten."

Der in Allenbostel lebende Liederdichter Eckart Bücken (s. Evangelisches Gesangbuch z.B. Nr. 432) und seine Frau Maja hatten sie dann, die Idee:
 

Ob man die jungen Japanerinnen nicht zu einem ohnehin geplanten Benefiz-Konzert für japanische Opfer mit dem von ihnen gegründeten Gospel-Chor in der heimischen Kirchengemeinde einladen könne…

Man konnte und so sang er für das Gute in der Tragik: Der Gospel-Chor unter Annette Albert sang nicht einfach hinreißend, sondern mehrfach uns Hörer zum freiwilligen Aufstehen zwingend. Und als die japanischen Musiktherapie-Studentinnen spontan mehrstimmige japanische Musik sangen und Musik vom jüdischen deutschen Mendelssohn , umrahmt vom Chor und getragen von der Gemeinde einer hoffnungslos überfüllten Kirche – da wurden die Seelen weich, wohl fast alle Augen feucht (auch die der in Sachen Emotionalität überdisziplinierten jungen Japanerinnen). Und die Portemonneis wurden überflüssig…"Noch nie dagewesen!" sagte Pastor Bernd ungläubig, "an keinem Heiligabend – solch Rekordsumme bei solch kleiner Gemeinde!".

Wie sagte Kirchenvater Bernhard von Clairvaux (leicht abgewandelt): Es gibt Leid von der Art, wie die Flügel der Vögel sind: Sie tragen aufwärts.




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Prof.Dr.Decker-Voigt@t-online.de

 
05. April 2011